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Daisy Sisters

Titel: Daisy Sisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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glaubt sie ihm das auch. Er hat sicherlich Bilder von seinen Kindern in der Brieftasche, er sieht so aus, erinnert sie an Jacob. Außerdem ist er nüchtern. Er fährt Auto und wohnt ganz am Ende draußen in Alafors, viel zu weit, um ein Taxi zu nehmen. Als Kurt-Rolands ihren letzten Ton haben verklingen lassen (Gott sei Dank: nicht Twilight Time …), da gehen sie zusammen hinaus in die Halle, um ihre Mäntel zu holen, und er drängt sie nicht zu einer Antwort, als er fragt, ob er sie nach Hause fahren dürfe. Er steht einfach still an ihrer Seite und wartet, während sie ihren Mantel bekommt.
    Man sollte natürlich nicht zu einem fremden Kerl ins Auto steigen. Wie oft endet das draußen im Wald mit einemMesser an der Kehle und einer Vergewaltigung, die mehr als vollendet ist. Frau zu sein und sich dessen bewusst zu sein beinhaltet, in jedem Mann, den man nicht kennt, eine potenzielle Lebensgefahr zu sehen. Und es ist nicht einmal sicher, dass es weniger gefährlich ist, wenn man den in Frage kommenden Mann kennt … Aber so kann man doch nicht leben, denkt Eivor. Vor allem und allen Angst zu haben. Ihr gesunder Menschenverstand sagt ihr, dass sie diesem Lastwagenfahrer, der Kalle heißt, trauen kann …
    Wofür hat man denn sein Urteilsvermögen?
    Nein, wenn sie nur die Autotür an ihrer Seite nicht verschließt und die Augen offen hält, dann wird es schon gut gehen …
    Herrgott! Der Kerl ist doch nett! Er hat Humor, echten Göteborger Humor, ehrliche Augen.
    Sie fragt sich, ob sie ihn sich in ihrer Wohnung vorstellen kann … Ja, warum nicht! Saubere Fingernägel hat er und keinen Bierbauch, der unter dem Hemd schwabbelt. Aber vor allen Dingen einen gesegneten Humor. Die Hölle hat er ihr als einen Ort beschrieben, wo die Engländer das Essen bereiten, die Franzosen Politiker sind und die Schweden die Fernsehunterhaltung machen …
    »Ja, gerne«, sagt sie, und sie gehen gemeinsam hinaus. Auf der anderen Straßenseite steht das Auto, ein Volvo Kombi. Eivor denkt flüchtig an den PV ihrer Kindheit, Eriks Augenstern, die kleine Reise mit dem alten Anders … So lange ist das her.
    »Jetzt werden wir sehen, ob ich mich noch erinnere«, sagt er, als Eivor ihm ihre Adresse nennt.
    »Woran?«
    »Ich bin früher mal Taxi gefahren«, sagt er. »Das muss wohl zuerst die Västerleden sein. Und dann die Tonhöjdsgata …«
    Ruhig und sicher findet er ihre Straße, und Eivor erlebt die gleiche schläfrige Ruhe wie im Taxi. Ein Taxi stößt nicht mit anderen Autos zusammen, es ist immun gegen Unfälle. Er schaltet das Autoradio ein, und sie fahren durch das nächtliche Göteborg. Ein feiner, kaum merklicher Nieselregen, der den Winter ankündigt, Wind aus Westen, vereinzelte Menschen, die nach einem freien Taxi winken … Sie schielt zu ihm hinüber und sieht, dass er die Lippen bewegt, als würde er zu der Musik singen, die aus dem Autoradio krächzt.
    »Welche Hausnummer?«, fragt er, als sie in der Tonhöjdsgata sind.
    »Jetzt klingst du wie ein Taxichauffeur«, sagt Eivor. »18. 18B.«
    Er fährt an den Bürgersteig und stellt den Motor ab.
    »Du kannst eine Tasse Kaffee bei mir trinken«, sagt sie. »Aber erwarte nichts.«
    »Nein«, sagt er. »Danke. Gern.«
    Er setzt sich aufs Sofa, während sie in die Küche geht.
    Er ist nett, denkt sie, während sie darauf wartet, dass der Kaffee durchläuft. Ein Lastwagenfahrer, der sich nicht ziert.
    Aber natürlich ist das verrückt. In dieser höllischen Welt ist das einzig Sichere, dass man sich auf nichts verlassen kann, nicht einmal die Sonne ist ohne dunkle Flecken.
    Es ist so teuflisch, dass es fast schon wieder komisch ist. Er hat seinen Kaffee aus einer blauen Tasse getrunken und einen Nachschlag bekommen. Sie hat das Radio eingeschaltet, in dem nächtliche Musik rauscht, sie haben über ihre Kinder gesprochen, über den Winter, der vor der Tür steht. Dann entsteht eine kleine Pause, er sitzt in Hemdsärmeln und nimmt einen Schluck Kaffee, und sie denkt, dass er offensichtlich Angst um seine Kleider hat, als sie auf seinensorgfältig zusammengefalteten Blazer sieht. Es ist halb zwei, und sie spürt eine große Ruhe in sich.
    Er stellt die Tasse weg und schaut sie an. »Na«, sagt er.
    Sie sieht ihn an. »Was sagst du?«, fragt sie.
    »Sollen wir jetzt bumsen?«
    Als bekäme man von seinem besten Freund einen Schlag ins Gesicht. Oder als stünde man unter der Dusche und die ganze Wand stürzt zusammen und zehntausend Menschen stehen da und glotzen und gaffen. Wie kann er

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