Daisy Sisters
kommen. Auch soll Jacob keinen unnötigen Grund für anzügliche Kommentare finden.
Aber als er am Sonntagvormittag gegen elf Uhr mit den Kindern eintrifft, wird nichts so, wie sie es sich gedacht hat. Elin war reisekrank und hat fast die ganze Fahrt über gebrochen, Staffan ist in seiner unfreundlichsten Laune, und Linda will absolut nicht in Borlänge wohnen. Sie weigert sich, aus dem Auto zu steigen, während Jacob Elin hochträgt und Staffan mit einer höhnischen Gewissheit im Blick hinterhertrottet. Nichts ist in Ordnung, Jacob hat sofort ein loses Bodenbrett entdeckt, Staffan tobt wegen einer verschwundenen Kassette, und Linda kommt gar nicht erst rein. Nur Elin ist an diesem schrecklichen Sonntagvormittag Eivors Verbündete. Eivor beißt die Zähne zusammen und stellt sich an den Herd, stumm und verärgert, um das Essen zu machen. Aber sie ist entschlossen, sich zu behaupten, es bleibt ihr ja nichts anderes übrig, wie immer! Als das Essen auf dem Tisch steht, geht sie zum Auto, um Linda zu holen. Die sitzt auf dem Rücksitz, in eine Wochenzeitschrift versunken, und hat die Umwelt ausgeschlossen. Aber als Eivor ganz ruhig die Autotür öffnet und genauso ruhig zu ihr spricht, legt sie die Zeitschrift weg und geht mit.
Jacob fährt am Nachmittag zurück nach Borås, und kurz darauf senkt sich Ruhe über die Wohnung in der Hejargata. Als die Kinder nach vielem Wenn und Aber schlafen gegangen sind, ist Eivor so müde, dass sie sich angezogen aufs Bett legt. Aber natürlich schläft sie nicht. Sie liegt da und denkt daran, was sie sich da eingebrockt hat. Immer diese alleinige Verantwortung, immer dieses schlechte Gewissen, immer nur Klagen … Sie fürchtet, dass dieser Sommer nur der Beginn einer neuen Periode von Problemen ist, die sich von den früheren nur dadurch unterscheiden, dass sie sich ein paar Hundert Kilometer nach Norden verzogen haben.
Aber der Sommer, den sie fürchtet, kommt ihr zu Hilfe. Beide, sowohl Linda als auch Staffan, werden schnell von den Jugendlichen im Haus angenommen, man akzeptiert sie, weil sie Göteborger sind. Statt ihren Dialekt zu verstecken, betonen sie ihn. Nur wenige Wochen nach ihrer Ankunft in Borlänge hat Staffan sich an ein Mädchen im Treppenhaus nebenan herangepirscht, und Linda mangelt es auch nicht im Geringsten an Verehrern …
Hin und wieder gehen sie alle zusammen bummeln und fangen an, die Stadt und die Menschen kennenzulernen. Eines Abends, als Eivor sich hinlegt, kann sie zum ersten Mal seit langer Zeit ihre Gedanken ausschließlich darauf konzentrieren, wie sehr sie ihre Kinder liebt.
Am Morgen des Mittsommertages geht sie zu ihrer ersten Schicht im Altersheim. Der Morgen ist frisch, und es duftet längs des Weges. Sie denkt, dass trotz allem … Doch, es war schon richtig, jetzt wohnt sie hier mit ihrer Familie, und sie werden hier Fuß fassen.
Die lange Zeit bis zum entscheidenden Jahr 1977 wird sie nicht als verlorene Zeit in Erinnerung behalten. Zwar wird nichts so, wie sie es sich gedacht hat, aber es wird auch nicht richtig enttäuschend. Staffan und Linda lotst sie, so gut sie kann, durch die schwierigsten Teenagerjahre, Elin ist noch ein Kleinkind, das immer mehr zu einem selbständigen Menschen heranwächst, mit der Arbeit kommt sie zurecht, und mehr als das braucht es eigentlich nicht. Liisa ist natürlich die ganze Zeit im Hintergrund, aber solange sie nicht zusammen arbeiten, können sie sich eben nur dann und wann treffen.
Während eines dieser Winter in Borlänge geschieht es also, dass sie ihren Traum träumt, Signale aus der Dunkelheit empfängt und nie mehr aufhören kann, nach deren Bedeutung zu suchen. Der Traum verfolgt sie, und sie fährt fort zu grübeln.
Fast drei Jahre vergehen, und endlich ist da jener klareSeptembertag 1977, an dem sie von Liisa Bescheid bekommt, nun sei es so weit. Jetzt wird sie im Personalbüro des großen Werks erwartet.
Es ist ein Freitagnachmittag, als Liisa mit dem Bescheid angestürmt kommt. Eivor ist allein zu Hause. Elin ist bei einem Spielkameraden eine Treppe höher, und Staffan und Linda sind auf eigene Faust unterwegs. Es dauert eine Weile, ehe Eivor versteht, worüber Liisa da spricht. Aber als sie es dann begreift, weiß sie kaum, ob sie noch länger daran interessiert ist. Es gefällt ihr gut in ihrem Altersheim, auch wenn sie als ungelernte Kraft die schwersten Arbeiten zugewiesen bekommt. Es sind vor allem die Alten, die mit ihrer Dankbarkeit dazu beitragen, dass sie sich wohlfühlt. Wie
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