Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Daisy Sisters

Titel: Daisy Sisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
nie Klarheit. Für Liisa schien diese Art Hilfe selbstverständlich zu sein. Eivor konnte zunächst eine Arbeit in einem Altersheim bekommen ( mitten in der Stadt , wie Liisa betonte), Beginn jederzeit . Und dann hatte Liisa über ihre unsichtbaren Kanäle erfahren, dass es in nicht allzu langer Zeit möglich wäre, ins stolze Metier der Kranführer überzuwechseln. Als sich später zeigte, dass das drei Jahre dauern sollte, dachte Eivor oft darüber nach, ob Liisa sie unter falschen Voraussetzungen aus Göteborg weggelockt hatte. Aber warum hätte sie das tun sollen? Alles in allem hatte Eivor, als sie sich endlich in den Umzugswagen setzen konnte, das Gefühl, sich auf eine Reise zu begeben, für die es eigentlich keinen rechten Grund gab. Als sie an diesem Samstagvormittag durch Göteborg fuhren, schloss sie die Augen. Ein vergeblicher Versuch, dem auszuweichen, was geschah …
    Die ersten Tage in Borlänge vergingen ganz im Zeichen des Umtriebs. Liisa und ihre Muskelmänner waren zwar zur Stelle (Liisa hatte sogar einen Strauß Sommerblumen gepflückt, den sie ihr zusteckte, als sie aus dem Lastwagen kletterte), das Ausladen ging schnell, und Janne konnte seinen Laster schon wenige Stunden später wieder nach Südwesten wenden. Aber die Wohnung? Sie hatte keine Gelegenheit gehabt, sie sich vorher anzusehen, hatte nur Pläne bekommen und im Übrigen Liisa vertraut. Ein trostloses Hochhaus (es dauerte lange, ehe sie es über sich brachte, die Anzahl der Stockwerke zu zählen), eine Wohnung, die, obwohl oberflächlich renoviert, vor innerem Verfall leuchtete. Und als sie zum ersten Mal die Treppe in den zweiten Stock hochging, mit einem Blumentopf als Schutzheiligem in den Händen, begegnete sie ihrem zukünftigen Nachbarn, der vor seiner Tür stand. Später erfuhr sie, dass er Arvid Andersson hieß, aber was sie jetzt sah, war nur ein torkelndes Mannsbild mit fleckigen Hosen unter einem hervorquellenden Bauch, mit einem schmutzigen Hemd, das aus dem offenen Hosenschlitz herausguckte; kurz gesagt, ein Mann, der so betrunken war, dass er kaum stehen konnte, der sie aber willkommen heißen wollte, und zwar mit einem schmatzenden Kuss auf die Wange. Beinahe hätte sein stinkender Mund sie besiegt, doch sie wehrte sich mit dem Blumentopf und machte, dass sie in ihre Wohnung kam. Der gute Nachbar, gereizt durch ihre Unfreundlichkeit, folgte ihr, und wäre Liisa nicht im selben Augenblick hinzugekommen, um zu fragen, was sie von der Wohnung hielte, dann wäre Eivor vor Verzweiflung in die Toilette gestürzt und hätte sich eingeschlossen. Liisa wurde ganz weiß im Gesicht, packte Arvid Andersson am Kragen und warf ihn aus der Wohnung, schubste ihn in sein eigenes Zimmer und schmiss die Tür zu. Eivor stand da mit ihrem Blumentopf und spürte, wie ihr Herz in der Brust klopfte.
    »Solche gibt es überall«, sagte Liisa und versuchte, dem Vorfall gemäßigte Proportionen zu geben.
    »Wohnt er da?«, fragte Eivor.
    »Die meisten sind gute Leute hier im Haus. Ein paar saufen eben, aber es sind trotzdem gute Leute. Du hast doch schließlich selbst Schnaps verkauft.«
    Liisas Muskelmänner waren Finnen, und sie schleppten und schoben auf Liisas Kommando. Eivor hatte nach den Zeichnungen einen Plan für die Möbel gemacht, und als alles allmählich an seinen Platz kam, ließ der Druck nach, den sie im Magen spürte, auf jeden Fall ein wenig. Und als dann die Nachbarin zur Linken, Frau Solstad, hereinkam und sie begrüßte und freundlich von Nachbar Andersson sprach, da fühlte sie sich nicht mehr so einsam wie vorher. Die Muskelmänner verschwanden mit scheuem Lächeln und ein paar gemurmelten Ratschlägen auf Finnisch, und Eivor kochte Kaffee für Liisa und sich selbst.
    »Dass sie wirklich keine Bezahlung wollen?«, sagt Eivor, während sie versucht, sich in der Küche zu orientieren.
    »Wir helfen uns gegenseitig«, antwortet Liisa. »Beim nächsten Mal sind wir an der Reihe.«
    »Ich schaff es doch nicht, so schwere Sachen zu tragen!«
    »Es gibt immer Blumentöpfe. Und Hilfe wird nicht nach Kilo berechnet. Jedenfalls nicht unter meinen Freunden.«
    Die Balkontür steht offen. Es ist ein warmer und schöner Tag in Borlänge.
    »Willkommen«, sagt Liisa und salutiert mit ihrer Tasse.
    »Danke.«
    »Wie fühlst du dich?«
    »Ich weiß noch nicht. Es ist vielleicht zu früh. Ich fühle gar nichts …«
    In der Nacht schafft Eivor Ordnung, damit die Kinder ein einigermaßen fertiges Zuhause antreffen, wenn sie am nächstenTag

Weitere Kostenlose Bücher