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Daisy Sisters

Titel: Daisy Sisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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wütend über das, was da alles an den Pissoirwänden geschrieben stand. Das waren keine Kinderlieder. Und er hätte gute Lust, seiner Frau davon zu erzählen.
    »Hier stehe ich und kann nicht anders«, sagt er stattdessen. Einer seiner üblichen Sprüche, seine Art, immer zu versuchen, von seiner Unsicherheit abzulenken, indem er sich in vorgefertigte Formulierungen flüchtet, woran Elna sich schnell gewöhnt hat.
    Mein Leben, denkt sie. Ich kann wieder anfangen, daran zu denken, jetzt, wo Eivor bald selbst zurechtkommt. Ich bin nicht älter als zweiunddreißig Jahre. Das darf ich nicht vergessen.
    »Ihr seht geheimnisvoll aus«, sagt Erik.
    »Und wenn«, erwidert Elna.
    Und dann gehen sie ins Hotel, durch den Tiergarten, entlang Strandvägen, Hamngatan und Hötorget.
    Als sie sich draußen im Korridor gute Nacht sagen und Erik vorsichtig die Tür zu seinem Zimmer öffnet, liegt Anders hellwach da.
    Aber natürlich tut er so, als ob er schliefe.
    Er begrüßt Erik Sjögren mit einem lauten Schnarcher.
    Den Rest der Nacht liegt er wach. Dann und wann richtet er sich tastend auf und leert ein Glas. Rot wie Blut.
    Welche Farbe hat der Tod?
    Ist es ganz sicher, dass es Schwarz ist?
     
    Am Tag darauf ist es bewölkt.
    Wohin wollen sie nun eigentlich? Über Öland hatten sie gesprochen, aber warum gerade Öland?
    Eivor und Elna werfen die Frage auf. Anders sagt nichts, er sitzt in seiner Ecke und genießt es, unterwegs zu sein. Am Morgen ist es ihm noch gelungen, ein paar Flaschen einzukaufen. Jetzt reicht es für die Woche.
    »Gibt es jemanden, der etwas gegen Öland hat?«, fragt Erik verwundert.
    Nein, das ist es nicht. Aber beinhaltet die Freiheit, im eigenen Auto zu fahren, nicht auch, dass man seine Pläne ändern kann?
    »Ich fahre, wohin ihr wollt«, sagt Erik galant.
    »Können wir nicht einfach gucken, wo wir hinkommen?«, schlägt Eivor vor.
    Das ist der Augenblick, in dem Elna erkennt, warum sie eigentlich nicht nach Öland will. Es gibt etwas anderes, was sie lockt und anzieht. Etwas, was mit dem verbesserten Kontakt zu Eivor zu tun hat.
    Nun weiß sie es. »Skåne«, sagt sie. »Wir besuchen Vivi.«
    »Zur Hölle«, antwortet Erik. »Das ist zu weit.«
    »Nicht viel weiter als Öland. Und du hast gesagt, dass du uns fährst, wohin wir wollen. Nicht wahr?«
    Der Regen prasselt herab, die Scheibenwischer sind schlecht, und Erik kann nicht gut sehen. Aber dass er gleich so wütend werden muss, dass er fast in den Graben fährt? Er fährt an den Straßenrand und bleibt stehen, plötzlich, ruckartig.
    »Zur Hölle«, sagt er wieder. »Nicht nach Skåne.«
    Eivor findet es auch verlockend. »Da können wir nach Dänemark rüberfahren«, versucht sie ihn zu überreden.
    Aber nein, er ist beleidigt. Abgesprochen ist abgesprochen. Irgendeine Ordnung muss nun mal sein.
    »Erik«, sagt Elna bestimmt. »Wenn ich doch so gerne will …«
    »Und ich!«
    Er fährt nach Skåne, ohne ein Wort zu sagen. Aber weder Elna noch Eivor nehmen seine Bockigkeit sehr ernst, und Anders kümmert es überhaupt nicht. Skåne oder Lycksele, Hauptsache fahren …
    Sie kommen zu einem Ort, der Häglinge heißt, mitten in der Nacht. In strömendem Regen wirft Erik die Zelte auf einen kleinen Grasplatz am Wege. Er murrt, als Elna und Eivor in den Regen hinausklettern wollen, um zu helfen.
    »Lass ihn machen«, sagt Elna. »Jetzt sitzen wir hier drinnen, und er tut uns leid, dann ist er morgen wieder fröhlich.«
    Beide Zelte sind undicht, es wird eine schlimme Nacht, und schon um sieben Uhr sind sie wieder unterwegs. Erik sitzt verstimmt hinter dem Steuer. In Höör entdecken sie ein Café, in dem sie frühstücken können, und hier öffnet Erik endlich seinen versiegelten Mund.
    »Kennst du dich in Malmö aus?«
    Nein, Elna kennt sich nicht aus. Anders vielleicht? Er auch nicht.
    »Ich fahr in die Stadt hinein«, sagt Erik. »Dann müsst ihr selbst zurechtkommen.«
    »Es ist schön in Skåne«, sagt Elna entwaffnend und tätschelt ihm die Wange. »Du fährst gut, weißt du das?«
     
    Vivi Karlsson, Werftarbeiterstochter aus Landskrona. Die Jahre sind vergangen, es ist über zehn Jahre her, seit der Krieg zu Ende ging. Acht Jahre, seit sie und Elna sich zuletzt getroffen haben. Die Briefe gehen hin und her, aber nicht so oft und auch nicht mit der gleichen Vertrautheit wie damals, als sie kaum älter waren als Eivor heute.
    Was ist inzwischen geschehen?
    Dieselbe Frage hat sich Vivi Karlsson viele Male gestellt. Und wenn sie sich selbst in

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