Daisy Sisters
fortweht.
Was macht sie jetzt? Sie trinkt und bumst, schreit und schimpft und hat eine Abtreibung im Sommer. Sobald sie wieder auf den Beinen ist, macht sie sich auf und trampt nach Europa, trifft einen spanischen Koch in Amsterdam und folgt ihm nach Paris, Pamplona, Madrid, und da ist sie wieder schwanger. Neue Abtreibung, ein Albtraum auf einem stinkenden Kellertisch, und dann bittet sie ihren spanischen Freund, sich zum Teufel zu scheren … Einen Winter wieder zu Hause in Landskrona, Gelegenheitsjob, heftiges Engagement gegen den Krieg der USA in Korea, ein neuer Traum: China sehen – und dann sterben. Durch Paris ist sie schon gebummelt. Aber China … Sie heuert auf einem Bananenschiffder Johnsonlinie an, da hat sie eine schöne Zeit zusammen mit ihrem Bruder Martin, der vierter Maschinist ist. Aber in Santiago bekommt sie eine Blutvergiftung, und als sie zurück nach Göteborg kommen, muss sie abmustern, Mädchen für die Messe gibt es hierzulande genug.
Und dann? Dann, dann … Das fragt sie sich auch.
Eines Tages sterben ihre Eltern beide, im Abstand von zwei Monaten. Der Vater stürzt auf den Küchenboden, von einem Hirnschlag dahingerafft. Und die Mutter tut ihre Pflicht, folgt ihm, so schnell sie kann, nachdem gerade mal so viel Zeit vergangen war, dass die drei Kinder, das Mädchen und ihre zwei Brüder, neuen Kummer verkraften konnten.
Im Alter von siebenundzwanzig Jahren zieht Vivi nach Malmö und arbeitet als Sekretärin in einem Fuhrgeschäft. Ein Jahr lang will sie bleiben. Daraus werden zwei. Dann rafft sie sich wieder auf, schreibt sich erneut an der Universität ein, und es missglückt wieder, diesmal aus reinem Widerwillen. Und nach neuen Ausflügen ist sie mit zweiunddreißig Jahren zurück im Fuhrgeschäft, gewissermaßen mit dem Gesicht im Kuhfladen …
Während Elna und die anderen mit dem Regen in Häglinge kämpfen, liegt Vivi in ihrer Wohnung in der Fabriksgata in Malmö. Sie hat Urlaub, aber sie will nicht verreisen. Gleich nach Urlaubsende wird sie ihre Kündigung auf den Tisch des Fuhrunternehmens knallen, das hat sie nun beschlossen, und dieser Gedanke hält sie aufrecht. Wenn das getan ist, wird sie auch ihr Verhältnis zu einem Künstler beenden, das schon viel zu lange dauert. Sie ist seiner überdrüssig, seiner schmutzigen Nägel, seiner düsteren, unbegreiflichen Bilder. Während ihres Urlaubs will sie ihn nicht sehen, das hat sie ihm mitgeteilt, und er hat sich einem Kollektiv angeschlossen, das sich in Falsterbo eingemietet hat.
Sie schläft, sammelt Kraft für den Zweikampf, der sie erwartet.
Gleichzeitig prasselt der Regen auf die beiden Zelte in Häglinge …
Natürlich ist Vivi überrascht und erfüllt von spontaner Freude, sie haben sich ja schließlich gern. Aber was mehr?
Wiederentdeckte Gemeinsamkeiten?
Peinlichkeit und Unsicherheit?
Als Erik und Anders im Auto verschwunden sind, kommt endlich eine Bewegung, eine Gefühlsregung auf.
»Was machen wir?«, fragt Vivi. »Jetzt seid ihr hier. Sollen wir baden gehen, in die Stadt bummeln, hier sitzen?«
»Entscheide du«, sagt Elna. »Du!«, sagt Vivi und wendet sich an Eivor. »Du hast doch sicher feste Wunschvorstellungen. Was willst du?«
Es bleibt beim Stadtbummel.
Als Elna sich Sorgen darüber macht, dass es spät werden könnte, dass Erik und Anders sich wundern könnten, wischt Vivi das mit einem Lachen fort. »Solange es Kneipen auf der Welt gibt, leiden unsere geliebten Männer keine Not«, sagt sie.
Sie nehmen eine der Fähren von Malmö aus, Vivi drängelt sich auf dem überfüllten Schiff zu einem Fenstertisch in der Cafeteria. Ein Mann, der sich gerade setzen will, schreckt zurück, als Vivi ihn scharf ansieht. Sie braucht Ellbogenfreiheit. Sie kann es nicht haben, wenn ihr die Menschen zu nahe kommen.
Es ist bewölkt und windig, aber die schwere Fähre schaukelt kaum. Regenböen schlagen gegen die Fenster der Cafeteria und rinnen in ungleichmäßigen Bächen an den Rahmen herab, wo die groben Nieten sich durch die gesprungene Farbe gedrängt haben.
Es ist lange her, seit Vivi und Elna sich gesehen haben.Aber während Elna fast bedauernd feststellt, dass die Zeit nur so davongelaufen ist, scheint Vivi mehr auf Neues eingestellt zu sein.
»Erinnerst du dich, dass wir uns darüber in unseren Briefen geschrieben haben?«, fragt Elna.
»Es wäre seltsam gewesen, wenn wir das nicht getan hätten!«
»Denk nur, wie lange das alles her ist!«
»Ein Glück, dass die Zeit nicht stillsteht. Wenn wir
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