Daisy Sisters
eine Ecke manövriert hat und sich fragt, womit sie ihre Zeit vertut, so ist es kein stilles Gespräch, das dann beginnt. Es gleicht eher einem Tigerkampf. Einmal landete sie mit dem Gesicht in einem Kuhfladen außerhalb von Älvdalen. Das hat sie nie vergessen. Das Ereignis hat sie sich aufbewahrt als ein Zerrbild, das sie ständig vor Augen hat über ihr ewiges Abstrampeln in einem Leben, in das sie keine Ordnung bekommt.
Dieses Leben, das so gut begonnen hatte, mit einem starken Familienzusammenhalt in Landskrona. Ein Zuhause, in dem es dann und wann an Essen und an Kleidung mangelte, aber nie strebte einer danach, sie zu einem selbständigen und lebenstüchtigen Menschen zu erziehen. Ein Zuhause, wo keiner leise durch die Türen ging, wo es nie muffig war oder man sich eingeschlossen fühlte.
Als sie die Volksschule beendet hatte, blieben gerade mal zehn Minuten Zeit, um von der Kirche – in ihrem roten Kleid! – zur Arbeit als Zimmermädchen im Stadshotel zu sausen. Aber das war nur eine bezahlte Atempause, in der es ihr eigentlich egal war, was sie tat. Danach versuchte sie auf die Realschule zu kommen, und sie schaffte es. Damals begannen die Probleme. Nicht dass sie Schwierigkeiten gehabt hätte, dem Unterricht zu folgen, sie hat ja einen scharfen Verstand, klar wie der Gesang eines Vogels. Nein, es waren die Mitschüler und die Lehrer hinter dem Katheder. Natürlichgab es auch andere Arbeiterkinder, die sich hierher verirrt hatten, aber die passten sich schnell an. Alle außer ihr. Die scharfen Kanten, die bisher eine positive Eigenschaft waren, wurden nun etwas, mit dem sie sich selbst schadete. Ein Jahr lang, fast zwei, ging es gut, obwohl sie unter dem Tadel fast erstickten. Natürlich gab es Ausnahmen unter den Lehrern, und heimlich wurde sie von einigen ihrer Klassenkameraden bewundert. Aber schließlich war sie allein, immer allein. An einem Tag im neuen Jahr in der Obersekunda, nur wenige Tage vor dem Sommerhalbjahr, steht sie plötzlich mitten in der Geschichtsstunde auf, packt unter dem atemlosen Schweigen der Klasse und des Lehrers ihre Bücher zusammen und verlässt den Klassenraum ohne ein Wort, um nie wiederzukommen. Draußen auf der Straße hebt sie das Gitter über einem Gully auf und wirft ihre Schultasche hinein. Im Lehrerzimmer wird bedauert, dass das begabte Mädchen Karlsson so unerwartet seine Studien abgebrochen hat, aber hinter den Masken grinst der Triumph; die widerspenstige Werftlerche war gedemütigt, es war ihre Niederlage.
Als sie nach Hause kam, sagte sie genau, wie es war, noch eine einzige Stunde mehr, und sie hätte den offenen Krieg gegen die Schule begonnen. Ihre Eltern brummten, aber sie verstanden sie. So ist das, die Klassengesellschaft hat vielleicht ihre Verkleidung und Waffen geändert, aber eine verdammte Klassengesellschaft ist sie geblieben!
Papa freut sich, das Mädchen schlägt nicht aus der Art. Ein Kommunist kann keine Tochter haben, die das goldene Kalb verehrt. Sie ist stark, obwohl man in einer finsteren Zeit lebt, in der der gemeine Mann das Radio ausschaltet, wenn Herr Hagberg an der Reihe ist, etwas Vernünftiges in die schwache Diskussion einzubringen.
Was sie macht? Im gleichen Jahr, in dem ihre Klassenkameraden mit ihren weißen Mützen die Treppen hinunterstürzen,legt sie ihr Abschlussexamen an Hermods Fernunterrichtsinstitut ab, und sie besteht es mit Glanz. Aber da ist sie so abgemagert und ausgelaugt, dass sie fast ohnmächtig wird, und als sie sich selbst im Spiegel sieht, fängt sie an zu weinen. Aber Vivi ist aus einem starken Holz geschnitzt, im selben Herbst schreibt sie sich an der Universität in Lund ein, trifft einen versoffenen Kurator und besorgt sich ein Studentenzimmer bei einer Offizierswitwe. Archäologin will sie werden, und sie springt gleich ins kalte Wasser. Aber auch hier muss sie bald das Handtuch werfen. Es ist eben so, dass sie das Studentenleben einfach nicht schafft, alle diese merkwürdigen Rituale, diese institutionellen Wüsten, auf die man sie nie vorbereitet hat. Manchmal möchte sie darüber verrückt werden, ihre Eltern anklagen, aber sie weiß ja, dass das ungerecht ist. Guter Gott, wenn sie doch wie diese Sturköpfe werden könnte, die sich durch Seminare und Fakultäten schleppen. An einem Werktag, als ihre Wirtin das Grab ihres Mannes in Karlskrona besucht, verbrennt sie ihre Bücher in dem offenen Kamin und läuft hinaus auf den Hof, um zuzusehen, wie der dichte Rauch über den blauen Himmel
Weitere Kostenlose Bücher