Daisy Sisters
Blut, aber so unendlich viel frischer … Er fragt sich, ob er verbittert ist. Dies wird mein letzter Sommer. Und so säuft er, einsam am Sommerabend, allein in seinem Hotelzimmer mit Aussicht auf einen Hinterhof.
Er will seine Ruhe haben. Darum wollen wir ihn verlassen und lieber nach Familie Sjögren suchen, die bereits im Gewimmel des Vergnügungsparks Gröna Lund verschwunden ist, zwischen Lampions und Leierkasten, Karussells und Schiffschaukeln.
Zum ersten Mal seit der Abreise ist es eine frohe und vergnügte Familie, die wir treffen, keiner ist sauer, nicht einmal Eivor. Sie ist sogar froh darüber, die schützenden Arme ihrer Mutter und ihres Stiefvaters um sich zu haben. Sie gewinnt einen Bären, von dem sie sofort weiß, wo sie ihn platzieren wird in ihrem kleinen Schlafalkoven, Elna und Erik tanzen auf einer der Außentanzflächen, und zusammen quetschen sich alle drei in einen Wagen des Blauen Zuges. Und zum Schluss Berg- und Talbahn, wo sie wie angestocheneSchweine quietschen. Herrgott … Wie war es, früher zu leben, als man noch keinen Urlaub hatte? Früher, als vom Auto noch keine Rede war?
Eivor denkt plötzlich an Lasse Nyman. Stell dir bloß vor, wenn es wahr ist, was Anders damals am Küchentisch gesagt hat. Dass Lasse Nyman kein Autoverkäufer ist, sondern Autos stiehlt !
»Dass er bloß nicht gestohlen wird«, sagt sie zu Erik, als sie an einer der vielen Würstchenbuden anstehen.
»Wer? Dein Bär?«
»Der Wagen natürlich.«
»Ich möchte den sehen, der es wagt, mein Auto zu stehlen.«
Aber Elna und Eivor merken beide, wie er bei dem Gedanken erschrickt.
»Wir werden bald ins Hotel fahren«, sagt er. »Er steht schon noch da.«
Sie essen ihre Wurst und jagen dann auf der Suche nach einem Pissoir für Erik umher. Als sie endlich eins entdecken, ist dort eine Schlange, und während Erik von einem Bein aufs andere tritt, drehen sich Elna und Eivor diskret zur Seite.
Was haben eigentlich Elna und Eivor am Abend zuvor gemacht? Als Erik und Anders auf dem wackligen Brett saßen und ihren Cognac trinken wollten? Tja, sie sind zum Strand hinuntergeschlendert, einander näher als seit langer Zeit. Auf einmal schaffen sie es, über Eivors Zukunft zu reden, ohne einen Streit anzufangen, und zum ersten Mal bekommt Elna auch eine Antwort, die mehr als ein böses Zischen ist. Schneiderin will Eivor werden. Kleider nähen. Und da sie nun so darauf besteht, die Schule nicht weiterzumachen, denkt Elna auf einmal, dass dies eine gute Alternative ist. Augenblicks verspricht sie ihrer Tochter, ihr alles beizubringen,was sie vom Nähen versteht. Und vielleicht gibt es jemanden in Hallsberg, der ihr mehr beibringen kann. Oder in Örebro. Eivor sagt jedoch, dass sie zuerst eigenes Geld verdienen will, um sich die Kleider zu kaufen, die in den Schaufenstern locken. Auch das versteht Elna, und sie fühlt plötzlich eine innige Liebe für ihre Tochter, die ihr auf so vielerlei Art gleicht.
»Stell dir vor, er wäre heute Abend hier«, sagt Eivor ohne Übergang.
»Wer?«
»Mein richtiger Papa. Nils.«
Ausnahmsweise gelingt es Elna, an ihn zu denken, ohne dass es ihr einen Stich gibt. »Dann hätte ich es dir gesagt«, antwortet sie.
»Hättest du ihn wiedererkannt?«, fragt Eivor verwundert.
Elna schüttelt den Kopf. »Nein, aber er hätte mich sicher erkannt.«
Eivor versteht nicht so ganz, was sie meint, aber das macht nichts. Nicht jetzt, wo es endlich einmal möglich ist, mit der Mutter zu reden, ohne dass sofort ein Streit entsteht.
»Wir sind uns ähnlich«, sagt sie.
»Ja«, antwortet Elna. »Sehr ähnlich.«
»Obwohl du hübscher bist als ich.«
»Findest du?«
»Warum hast du Erik geheiratet?«, fragt sie.
»Ich mochte ihn.«
»Mochte?«
»Mag.«
»Stell dir vor, ihr hättet euch nicht in diesem Zug getroffen.«
»Ja, denk dir bloß!«
»Wie schwer es gewesen wäre …«
»Was?«
»Ja … Allein zu leben mit mir.«
Kann es möglich sein? Elna sieht sie verblüfft an. Muss man erst eine Reise machen, um ein vernünftiges Gespräch mit seiner Tochter führen zu können? Aber eigentlich ist es kein Wunder … Sie ist ja erwachsen. Es ist das dritte Jahr, dass sie ihre Menstruation hat, und einen BH hat Elna ihr schon vor zwei Jahren gekauft.
Eine Tochter auf dem Weg, eigene Entscheidungen zu treffen. Ein Mensch mit seinem eigenen wachsenden Horizont, auf den er sich konzentrieren muss.
Aber jetzt sind wir wieder mit ihnen im Vergnügungspark. Erik kommt vom Pissoir zurück, leicht
Weitere Kostenlose Bücher