Daisy Sisters
ist in einen staubigen Overall gekleidet, und er zittert in der Kälte. »Bist du die Skoglund?«
Ja, das ist sie.
Dann soll sie ihm folgen. Pfui Teufel, so ein Wetter, was?
Tja, recht hat er.
Sie gehen hinein in die Fabrik, unendliche Korridore und Treppenhäuser entlang. Es ist kalt, und hinter schweren Türen hört man ein mächtiges Dröhnen. Eivor wird plötzlich klar, dass sie Fabrikarbeiterin werden soll, sonst nichts. Aber das ist nur der Anfang, denkt sie. Irgendwo muss man ja anfangen …
»Hier müssen wir rein«, ruft der Mann. »Ich heiße Lundberg. Halt dich jetzt fest!«
Damit reißt er eine Tür auf, und ein ohrenbetäubendes Dröhnen schwillt ihr entgegen. Es ist, als ob ein rasendes Tier sich losgerissen hätte und ihr entgegenspringt. Sie zuckt zurück, aber Lundberg packt sie am Arm, und dann fällt die Tür schwer hinter ihnen zu.
»Hier ist die Zwirnerei«, brüllt er, seinen Mund an ihr Haar gepresst. »Jetzt werden wir Pelle Svanslös begrüßen.«
Pelle Svanslös? Eine Katze?
Nein, es ist der Vorarbeiter Ruben Hansson. Viel später bekommt Eivor während einer Frühstückspause die Erklärung für den Spitznamen. Vorarbeiter Hansson ist einmal mit dem Hosenbein in einer Laufkatze hängen geblieben, mit Rollen von der Spinnerei, und hat sich eine Hinterbacke aufgeschnitten. So kam man darauf, ihn Pelle Svanslös zu nennen. Zumal er ein ausgeprägter Hundefreund ist.
»Zum Teufel, so ist das! Aber sag es bloß nicht laut. Dann mogelt er beim Akkord …«
Der Vorarbeiter sitzt in einem kleinen Glaskasten, von dem aus er die enorme Maschinenhalle und die Toiletten überblickt. Als Lundberg Eivor in den Kasten hineingeschoben hat und zu seiner eigenen Maschine zurückgeeilt ist, um im Akkord zu arbeiten, ist der Lärm kaum geringer. RubenHansson sitzt in seinem grauweißen Kittel und blättert in einem Berg Musterlappen, die angeben, welche Garnsorten man während des Tages von der Spinnerei erwarten kann.
Er sieht sie an und blinzelt. »Skoglund«, ruft er.
»Ja.«
»Willkommen! Ich habe dir hier eine Stempelkarte ausgeschrieben. Dann werde ich einen Burschen aussuchen, der dich einweist. Eigentlich sollst du mit einer Finnin zusammenarbeiten, aber sie ist heute nicht da. Kater wahrscheinlich. Also gehen wir mal.«
Wieder raus in den Lärm. An der Stempeluhr neben der Außentür kratzt Hansson mit seinem Stift ein, dass Eivor Maria Skoglund am 10. Januar 1960 um 6.45 angefangen hat. Er steckt die Karte in ein Fach unter dem Buchstaben S und ruft ihr zu, dass sie ein- und ausstempeln muss, auch wenn sie Pause macht. Dann geht es darum, einen zu finden, der sie einweist …
Das wird Axel Lundin. Vorarbeiter Hansson entdeckt ihn an einem Ende der Maschinenhalle. Er hat gerade eine Maschine mit neuen Rollen bestückt, die Garnfäden auf die leeren Spulen geführt, und nun will er den Schalter anstellen, als Hansson angehumpelt kommt, Eivor im Schlepptau. Er zeigt auf sie, und Axel Lundin nickt.
»Dann geht’s mal an«, ruft der Vorarbeiter, und schon ist er weg.
Axel Lundin ist dreiundvierzig Jahre alt und arbeitet in der Rohgarnzwirnerei, seit er dreißig ist. Er schafft sieben Maschinen in einer Schicht und liegt damit am höchsten im Akkord; der nach ihm kommt, schafft höchstens fünf Maschinen, und da müssen die Pausen in rasender Eile gemacht werden. Für Eivor sieht er aus wie ein Schullehrer, er hat einen Bart, und seine Hände sind weiß und schlank. Aber sie erkennt schnell, dass er sein Arbeitsvermögen zu einer ausgefeiltentechnischen Fertigkeit gebracht hat. Eine Zwirnmaschine zu laden und zu bedienen ist eher eine Frage der Technik als der rohen Kraft, auch wenn es schwer ist, die letzten Paletten mit gezwirntem Garn auf die Laufkatze zu werfen, wenn eine Maschine fertig ist.
Er weist sie ein, indem er sie neben sich hergehen und zuschauen lässt. Nach einer guten Stunde befindet er, dass sie die Arbeit alleine schafft. Eine Stunde Anlernen, und dann kann sie ihre Arbeit, solange sie lebt. Dann ist es nur noch die Schnelligkeit, die sie steigern kann, nichts sonst.
Eine Maschine besteht aus über hundert Spulen. Von der Spinnerei kommen verschiedene Garnsorten, die auf Leerspulen an der Oberkante der Maschine gezwirnt werden sollen. Eine Maschine zu bestücken heißt, aus einer, die fertig ist, die Spulen herauszunehmen, eine Laufkatze mit Garn zu holen, neue Spulen hineinzutun, die Fäden zu befestigen, indem man sie durch verschiedene Ösen und Sperren zieht, die
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