Daisy Sisters
werden.«
Viel mehr wurde nicht gesprochen. Elna scheint resigniert zu haben. Sie wird mit Eivor nicht fertig, das Mädchen macht, was es will. Tief im Innern weiß Elna ja auch, dass sie ein bisschen neidisch ist. Eivor genießt eine Freiheit, von der sie einst geträumt hat, die sich aber verflüchtigte, als sie schwanger wurde. Ein schlechter Mensch, der seiner Tochter kein Glück wünscht, ist sie deshalb noch lange nicht.
Aber es gibt noch eine andere Unruhe, die tief in ihr liegt.
Eines Abends zwischen Weihnachten und Neujahr, als Erik zum Bahnhof getrottet ist und Eivor ihre Elvisplatten spielt, macht sie die Tür auf und ruft, die Musik übertönend:
»Was immer du auch tust, werd’ nicht schwanger.«
»Was?«
»Und solltest du es brauchen, so pass um Gottes willen auf, dass er verhütet.«
»Was denn brauchen? Welcher Er?«
»Den du triffst.«
Dann geht sie, und Eivor ist wieder allein mit ihrer Musik. Nein, natürlich wird sie nicht schwanger werden. Wer will schon in der gleichen Situation landen wie ihre Mutter? Jetzt, wo sie dabei ist, sich zu lösen, empfindet sie beinahe Zärtlichkeit für sie. Immerhin hat sie sich fast zwanzig Jahre um sie gekümmert. Zwanzig Jahre, statt ihr eigenes Leben zu leben.
Beide, Elna und Erik, stehen am Bahnsteig und winken, als sie sich am 9. Januar auf den Weg macht.
»Ich komm dich besuchen. Wir kommen alle beide.«
»Bloß nicht.«
Und dann ist Hallsberg endlich Vergangenheit.
An der Ecke von EPA und Rathaus schwenkt sie nach rechts zum Södra Torget. Von dort geht der Bus raus zum Vorort Sjöbo, wo Konstsilke ihr eine kleine Wohnung zurVerfügung gestellt hat. Eine möblierte Einzimmerwohnung, die sie von jemandem übernimmt, dem es geglückt ist, sich eine größere Wohnung zu besorgen. Diese Wohnung ist eine Schleuse, es wird von ihr erwartet, dass sie sich schnell etwas anderes sucht, das hat ihr der dicke Personalassistent freundlich, aber bestimmt erklärt.
Vor Siedbergs Delikatessengeschäft bleibt sie stehen. Obwohl sie nur das Allernotwendigste mitgenommen hat, ist der Koffer schwer. Sie ist außer Atem, und die Kälte sticht im Gesicht. Als sie die Lippen berührt, fühlt es sich an, als ob sie aufplatzten. Es ist natürlich nicht gut, an einem derart kalten Tag so stark geschminkt zu sein, wie sie es ist. Aber sie kann schließlich nicht ohne Gesicht in ihr neues Zuhause kommen! Sie nimmt den Koffer wieder auf und geht weiter, schräg über den Markt zum Bus, an dem Sjöbo steht. Es ist Hauptverkehrszeit, von verschiedenen Seiten kommen frierende Menschen, sie wird gedrängt und gestoßen, weil jeder so schnell wie möglich in den warmen Bus kommen will. Und natürlich sieht man ihr an, dass sie nicht aus der Stadt ist.
Sie macht sich Gedanken über morgen, wenn sie die zwei anderen Koffer holen muss, die noch in der Gepäckaufbewahrung stehen. Hätte sie sich nicht doch ein Taxi leisten können? Aber sie weiß nicht, was das kostet, raus bis Sjöbo. Sie weiß ja gar nichts! Schließlich gelingt es ihr, sich in den Bus zu quetschen und ihre Fahrkarte zu bezahlen. Gott sei Dank muss sie erst an der Endstation raus, Sjöbo Markt, wo der Bus wendet.
Sie klammert sich an einer Haltestange fest. Die Gesichter um sie herum sind bleich und stumm. Niemand scheint sie zu beachten. Zwischen all den Köpfen sieht sie flüchtig das Gesicht eines Mädchens in ihrem Alter. Sie hat die Haare zu einem hohen Dutt aufgesteckt. Die Farah-Diba-Frisur. Daran hat sich Eivor noch nicht gewagt, auch wenn ihr Haar inzwischenlang genug ist. Und wie soll sie bei der Arbeit gekleidet sein? Verdammt, dass sie auch von nichts eine Ahnung hat!
Sjöbo Markt. Eine düstere Zementplatte zwischen Hochhauskästen in Rot und Ocker. Sie verläuft sich, wagt aber nicht, jemanden nach dem Weg zu fragen, sondern sucht auf eigene Faust weiter, während der Koffer immer schwerer wird. Schließlich findet sie den richtigen Weg, ist aber so ausgefroren und müde, dass sie jeden Moment anfangen könnte zu weinen. Sie muss einen Moment ganz still im Eingang stehen bleiben und sich beruhigen, bevor sie auf die Türklingel der Hausmeisterwohnung drückt, wo sie ihre Schlüssel bekommen soll.
Die fünfte Etage, Aussicht über die unendlichen dunklen Västgöta-Wälder. Ein Zimmer mit Kochecke und Flur. Es riecht nach Schimmel in der Wohnung, die natürlich nicht das ist, was sie sich vorgestellt hat. Dass sie es doch nie lernt, keine Erwartungen zu haben.
Im Zimmer stehen ein wackliges
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