Daisy Sisters
Maschine anzustellen und dann die nächste in Angriff zu nehmen, die gerade fertig ist. Aber dann und wann muss man zurückgehen und die Fäden richten, die sich gelöst haben. Die große Arbeitshalle ist voller hungriger Maschinen. Wenn man mit einer fertig ist, gilt es nur, schnell die nächste zu füttern. Es ist ein ewiger Kreislauf.
Um Viertel nach acht zeigt Axel Lundin stumm auf seine Armbanduhr. Es ist Frühstückspause, und sie stempeln sich aus und gehen eine Treppe hinunter in die Kantine. Von verschiedenen Richtungen kommen Arbeiter, Männer und Frauen, um sich schnell an einer der Schlangen anzustellen. Die Pause dauert zwanzig Minuten, da ist es schade um die Zeit, die man in der Schlange verbringt. Eivor kauft eine Tasse Schokolade und ein Käsebrot. Das kostet fast nichts. Aber die meisten, die sich um die Tische drängen, haben Brote und Milch mitgebracht und begnügen sich mit einerTasse Kaffee oder Schokolade. Axel Lundin kauft nichts, er hat sich an einen Tisch gesetzt und Essen aus seiner Tasche ausgepackt. Er hält Eivor einen Platz frei.
»Nach der Pause suche ich eine Maschine für dich«, sagt er, während er an einem Brot kaut. »Dann arbeitest du allein. Wenn was ist, kannst du fragen. Aber es dürfte keine Probleme geben. Denk nur daran, dass Inspektoren herumgehen und das gezwirnte Garn prüfen. Wenn da Schmutzflecke auf dem Garn sind, gibt es Abzug. Du schreibst deinen Namen auf jeden Musterzettel, der mit dem Garn rausgeht. Hast du keinen Stift, leihst du dir einen von Moses. Das ist der, der da gerade die Strümpfe wechselt …«
Ja, sie lernt es. Die Strümpfe zu wechseln, das heißt, einen Überzug auf die Holzspulen zu setzen, die benutzten in einen Holzkasten zu werfen, einen sauberen neuen aus einem anderen Kasten zu nehmen. Sie lernt, und als der Arbeitstag zu Ende ist, hat sie es geschafft, eine Maschine zu bedienen, Garn zu holen, eine fertige Maschine zu suchen, umzuladen, sie bereit zu machen und zu starten. Dann und wann taucht Axel Lundin auf, plötzlich steht er einfach an ihrer Seite, nickt stumm und verschwindet wieder.
Um Viertel nach vier stempelt sie aus, man zeigt ihr den Weg zum Umkleideraum der Arbeiterinnen, und da sinkt sie auf eine Holzbank. Es dröhnt in den Ohren, und sie hat Schmerzen im Rücken, weil sie noch nicht gelernt hat, die Paletten auf die richtige Art zu heben.
Der Umkleideraum ist voll mit Frauen, die ihre Kittel und Schürzen ausziehen. Die meisten scheinen Finninnen zu sein, nur wenige schwedische Wörter dringen durch das Gemurmel. Alle haben es eilig, niemand sieht sie dort sitzen.
Erst als der Umkleideraum sich geleert hat, spricht sie die Putzfrau an. »Hast du keinen Schrank?«, fragt sie.
Eivor schüttelt den Kopf.
Die Putzfrau sieht sie fragend an. »Hast du in deinen eigenen Kleidern gearbeitet?«
Und dann, mit Wut in der Stimme: »Dass sie den Neuen nicht sagen können, wo sie Overalls und Schürzen bekommen. Schau her!«
Sie zeigt auf eine kleine Trennwand hinter den rostigen Duschen. »Nimm, was du brauchst, und wirf es in diese Kiste da, wenn es schmutzig ist. Und nimm den Schrank dort in der Ecke. Der ist frei, das weiß ich.«
Als Eivor draußen in der Kälte steht, ist für sie klar, dass sie nie wieder herkommt. Wie, zum Teufel, soll es möglich sein, einen einzigen weiteren Tag in dieser staubigen und lärmenden Maschinenhalle auszuhalten? Dafür ist sie nicht nach Borås gekommen. Sie will doch Schneiderin werden. Zusammen mit anderen Mädchen Kleider nähen, Menschen treffen, eine Wohnung finden, das kaufen, was sie haben will. Leben. Nicht das hier.
Auf dem Weg zum Bus geht sie in ein Geschäft und kauft etwas zu essen.
Und ein Paket Watte. Für die Ohren.
Am Abend scheuert sie aus reiner Wut die ganze Wohnung, und dann ist sie so müde, dass sie in ihren Kleidern einschläft.
Aber am Tag darauf geht sie natürlich wieder zum Bus, stellt sich zwischen die anderen zitternden Schatten und wartet.
Als sie dabei ist, sich im Umkleideraum die Arbeitssachen anzuziehen, kommt Sirkka Liisa Taipiainen zu ihr. »Ich war gestern nicht da«, sagt sie mit singendem Akzent. »Wenn du die Neue bist, die Eivor heißt, ich bin die Liisa. Wir werden zusammenarbeiten. Acht Maschinen am Tag müssen wir schaffen, wenn der Akkord sich lohnen soll. Wie alt bist du eigentlich?«
»Neunzehn.«
»Ich dreiundzwanzig. Sollen wir raufgehen?«
Liisa ist rothaarig und sommersprossig. Sie ist dünn, hat aber kräftige Arme. Sie arbeitet
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