Daisy Sisters
braunes Ledersofa.
»Mama musste leider zu ihrem Arzt«, sagt er. »Aber ich kann mich genauso um die Sache hier kümmern.«
Er zeigt auf ein gelbes Mietbuch, das auf einem Glastisch liegt.
»Möchtest du Kaffee?«, fragt er.
»Nein … Ja, warum eigentlich nicht?«
Er steht auf, geht zu einer halb geöffneten Tür und ruft nach Kaffee. Das Haus ist also nicht leer. Gibt es Geschwister?
»Der Kaffee kommt sofort«, sagt er und lehnt sich in seinem Sessel zurück. »Schade, dass du Samstag nicht mitgegangen bist«, fährt er fort. »Es war richtig schön.«
»Ach ja«, antwortet sie und sieht sich im Zimmer um.
Er folgt ihrem Blick. »Ganz nett hier«, sagt er beiläufig. Er wedelt mit einer Hand zu einer Statue auf einer schwarzen Säule. »Aus Rom«, sagt er. »Papa hat sie vor ein paar Jahren gekauft. Einer der griechischen Götter. Seltsam genug.«
»Warum?«
»Ja. Einen griechischen Gott in Italien zu entdecken, meine ich. Es ist nur eine Kopie, aber sie ist sehr alt. Er war dort zu einem Kongress, Papa meine ich, nicht der Gott.«
»Was macht er denn?«
»Der Gott oder Papa? Na ja, er ist Chefarzt in der Chirurgie hier. Aber gerade jetzt hat er eine Gastprofessur an der Universität in Kalifornien. Er ist spezialisiert auf inoperable Gehirntumore. Ich werde wohl diesen Sommer hinfahren und ihn besuchen, wenn das Schuljahr um ist.«
Ein Dienstmädchen kommt mit einem Kaffeetablett und stellt es auf den Tisch. Eivor meint, das Gesicht zu kennen. Wo mag sie es gesehen haben? Bei Cecil? Im Park?
»Zucker?«, fragt er, als sie gegangen ist.
»Ja, danke. Zwei Stück.«
»Du arbeitest bei Konstsilke, sagt Mama. Ist es da gut?«
»Ganz ok …«
»Was machst du?«
»Garn zwirnen …«
»Oh, verdammt …«
»Und du?«
»Ich habe noch ein Jahr Schule vor mir. Das ist richtig stressig.«
Er hält ihr ein Zigarettenpäckchen hin; sie nimmt eine Zigarette, und er zündet sie mit einem schweren Tischfeuerzeug an.
»Das wäre mal recht lustig, ein bisschen darüber zu wissen, wie es in einer Fabrik zugeht«, sagt er und stopft seine Pfeife. Sie sieht, dass er Nägel kaut, herunter bis ans Nagelbett.
»Frag nur«, sagt sie.
»Das schaff ich jetzt nicht«, antwortet er. »Ich muss noch lernen heute Nachmittag. Wir schreiben in ein paar Tagen eine Englischarbeit. Ich lieg an der Grenze zum kleinen A, und das will ich nicht verpatsen. Ich bekomme fünfzig Kronen für jedes kleine A von Mutter.«
»Wirst du bezahlt für dein Zeugnis?«
»Nur als Ansporn.«
Fünfzig Kronen. Mehr als eine Monatsmiete. Herrgott … Wie leben diese Leute eigentlich.
»Wir könnten uns ja treffen«, sagt er und spielt mit dem Mietbuch. »Am Mittwoch, da hab ich die Arbeit geschrieben, und am Donnerstag haben wir Sporttag. Aber den überspringe ich. Ich melde mich krank.«
»Aha«, sagt sie.
»Wir könnten ins Ritz gehen und ein Bier trinken. Du bist doch schon achtzehn?«
»Ja. Aber im Ritz bin ich noch nie gewesen.«
»Dann wird’s Zeit. Wie lange wohnst du schon hier in der Stadt? Woher kommst du?«
»Zwei Monate. Hallsberg.«
»Oh, verdammt. Ja, da bin ich wohl schon mal vorbeigefahren … Also? Ich lade dich ein.«
Eivor zögert. Sie weiß nicht genau, was das Ritz eigentlich ist. Und worüber könnten sie sich unterhalten? Außerdem, ein Mittwochabend. Sie hat nun mal keine Sporttage, an denen sie sich krankmelden kann.
»Ja, ein paar Stunden dann«, sagt sie und ärgert sich sofort. Das wird ein Fiasko, kann gar nichts anderes werden. Aber jetzt ist es nicht mehr zu ändern.
»Fein. Dann sehen wir uns da. Halb acht? An der Garderobe?«
»Ja.«
Sie schreibt noch ihren Namen in das gelbe Buch, bekommt eine Quittung über das Geld, das sie dalässt, und die Schlüssel.
»Das wird ein Spaß«, sagt er draußen in der Diele, als er ihr in den Mantel hilft. Noch nie hat das jemand getan, und sie findet es ziemlich albern. Sie kann sich wohl alleine anziehen …
»In fünf Minuten fährt ein Bus«, sagt er. »Den erwischst du noch, wenn du dich beeilst.«
Am Mittwoch erzählt sie Liisa, dass sie mit dem Sohn der Hauswirtin ins Ritz gehen wird. Liisa schaut sie lange mit hochgezogenen Augenbrauen an, bevor sie antwortet. »Mach das«, sagt sie. »Mach du das.«
Nichts weiter.
Ist sie sauer? Oder war das ironisch gemeint?
Sie fühlt sich so verloren, wie sie es befürchtet hat. Er trifft sie an der Garderobe, wo sie ihren Mantel abgibt, und führt sie zu einem Fenstertisch. Bevor sie am Tisch angekommen sind,
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