Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)
unseres Hauses gefeiert werden. Mein zukünftiger Ehemann und seine Eltern waren schon ein paar Tage vorher angereist und residierten seitdem in einer Suite im nobelsten Hotel dieser Stadt. Gesehen hatte ich sie seit ihrer Ankunft nicht. Dieser Umstand verwirrte mich ein wenig, hatte ich doch erwartet, dass man mich wenigstens kurz begrüßen würde.
Wie ich von Sonja in Erfahrung gebracht hatte, hatte die Familie Kastell-Paol meine Eltern zu einem Abend in ihre Suite eingeladen. Und warum mich nicht? Es ging doch schließlich um meinen großen Tag. So dachte ich damals jedenfalls. Wie naiv und dumm ich doch gewesen war.
In unserem Haus residierten nur wenige Gäste. Die meisten, die von außerhalb angereist kamen, waren in den teuersten Hotels der Stadt untergebracht.
Es war später Vormittag, die Trauung sollte um vierzehn Uhr stattfinden, und ich saß gebadet, gecremt, manikürt, gebürstet und parfümiert am geöffneten Fenster in meinem Salon und ließ mir noch einmal von der Sonne das Gesicht wärmen. Ich trug schon meine neue französische Unterwäsche, die ebenfalls auf Geheiß meiner Mutter von Madame Goujou passend für das Hochzeitskleid gefertigt worden war. Darüber hatte ich nur meinen leichten Morgenmantel gezogen. Durch das offene Fenster konnte ich schon Stimmengewirr aus dem Park hören. Die ersten Gäste hatten sich bereits eingefunden. Gläser klirrten laut, als sie gegeneinander stießen. Würde Jacques mich heute ansehen? Würde er heute ein wenig freundlicher sein? Mich anlächeln? Vielleicht konnten wir uns mit einer Flasche Champagner und zwei Gläsern ja eine ruhige Ecke suchen, um ein wenig zu plaudern, ein wenig mehr voneinander zu erfahren? Ich wünschte es mir so sehr.
Aber e s kam alles ganz anders, als ich es mir erträumt hatte. Dabei war das gar nicht viel, denn nicht einmal das Träumen hatte ich gelernt. So wusste ich nie, wovon ich denn träumen sollte. Die einzige Liebe, die ich am Rande wahrgenommen hatte, war die von Mademoiselle Antoinette und Herrn Brahmann gewesen. Ja und davon träumte ich.
Heute bin ich neununddreißig und endlich lebendig. Mein Leben verlief in anderen Bahnen. Aber lasst mich erzählen, lasst mich auch hier kurz erzählen, wie die Jahre in der Bretagne waren. Denn dorthin, an die Westküste der Bretagne mit seinen Steilküsten verschlug es mich. Ich war aufgeregt, damals mit meinen erst zwanzig Jahren. Ich war, so glaube ich, damals das erste Mal in meinem Leben wirklich aufgeregt.
Doch noch einmal mehr blicke ich zurück. Zurück zum Tag meiner Hochzeit. Wie ich noch so dem Gläserklirren lauschte, öffnete sich die Tür und drei mir kaum bekannte Damen strömten in ihren vornehmen Kleidern in meinen kleinen Salon. Meine Mutter folgte ihnen und hinter ihr kamen zwei unserer Dienstmädchen, die vorsichtig mein heutiges Festgewand hineintrugen. Unter den drei Frauen befand sich auch Annabelle, Mutters beste Freundin. Die anderen Frauen konnte ich nicht wirklich einordnen. Ich fragte mich, ob meine Mutter mit all deren Männern oder gar Söhnen ihren Körper geteilt hatte? Ob sie ihre beste Freundin hintergangen hatte?
Ohne Vorwarnung öffnete eine der mir kaum bekannten Frauen meinen Morgenmantel und riss ihn mir förmlich vom Leibe, um dann ausgiebig meine neue Unterwäsche zu betrachten und darüber zu streichen. Ich war für sie gar nicht anwesend, aber noch schlimmer war, dass ich mich fühlte wie bei einer Fleischbeschau. Ich entschied, dass es genug war, schließlich würde ich heute heiraten. Mit einer abrupten Drehung entwand ich mich ihren flinken Händen und sagte: „Es reicht, so glaube ich. Solch wundervolle und wertvolle Wäsche können Sie sich von Madame Goujou kreieren lassen.“
Meine Stimme klang zu meinem Erstaunen volltönend und zitterte kein wenig.
Die Damen schauten auf, als wenn sie mich erst jetzt wahrnehmen würden und traten peinlich berührt ein paar Schritte zurück. Die Dienstmädchen, die hinter meiner Mutter standen, grinsten und meine Mutter, die gerade nach meinem Kleid gegriffen hatte, hielt in ihrer Bewegung inne und schaute mich völlig überrumpelt an.
„ Ich glaube nicht, Mutter, dass sechs Personen nötig sind, um mich einzukleiden.“
Eine der drei Damen zog scharf die Luft ein, hatte sie doch gerade eine herbe Abfuhr erteilt bekommen. Sie schaute mir in die Augen und wollte mich wohl gerade maßregeln, als meine Mutter nickte und sprach: „Du hast Recht. Annabelle, gehe bitte mit Gerda und
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