Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)
Und trotzdem möchte ich versuchen, Ihnen etwas mit auf den Weg zu geben. Ich weiß nicht, was alles in Ihrem Leben passiert ist.“ Er lächelte schwach. „Oder besser gesagt, nicht passiert ist.“
Er schaute mir tief und eindringlich in die Augen. „Passen Sie auf sich auf. Vertrauen Sie sich selbst. Vertrauen Sie nicht zu schnell einem Fremden, außer, Ihr Herz spricht eine andere Sprache.“
Jetzt lächelte er leicht. „Gerne hätte ich eine Tochter wie Sie gehabt. Leider sind mir die Freuden der Vaterschaft versagt geblieben. So bleibt es mir nur, Ihnen ein wunderschönes Leben zu wünschen.“ Sein Blick wurde noch eindringlicher. „Und wenn der Tag kommt, wenn der Tag kommt, der Ihnen die Möglichkeit offenbart, zu leben, Ihr Leben zu leben, dann greifen Sie zu. Zögern Sie nicht. Dieser Tag mag noch nicht heute sein. Vielleicht auch noch nicht morgen. Vielleicht wird es noch einige Zeit dauern. Aber seien Sie bereit, mein liebes Kind.“
Ich war noch ganz gefangen in diesen Augenblick und sog die Worte Salomons in mein Innerstes auf, als Sonja hereingestürmt kam, um uns Bescheid zu geben, dass die Zeremonie gleich beginnen würde. Salomon schaute auf seine goldene Taschenuhr. „In der Tat, liebes Kind, wir haben nur etwas mehr als fünfzehn Minuten. Machen wir uns geschwind auf den Weg.“ Er wartete nur kurz, bis Sonja wieder verschwunden war, dann schaute er mich noch einmal mit seinen wärmenden Augen an. „Denken Sie an meine Worte. Und nun, darf ich bitten?“
Er reichte mir seinen Arm, auf den ich locker meine Hand legte.
„Salomon?“ „Ja?“, fragte er zurück. „Ich bin sehr froh, dass Sie wenigstens hier und jetzt die Stelle meines Vaters einnehmen. So bekommt dieser Augenblick für mich Wärme und Ehrlichkeit und wird mir auf immer im Gedächtnis bleiben.“ Ich sah nur von der Seite, wie er leicht lächelte und dann seine freie Hand auf meine legte, die auf seinem Arm ruhte. Wir traten auf den Flur hinaus und gingen zur Treppe, wo bereits zwei mir nicht bekannte Kinder warteten, die den Schleier tragen sollten. Vorsichtig stiegen wir die Treppe hinab. Dort warteten die vier Blumenkinder. Ich muss wohl nicht extra erwähnen, dass auch diese mir gänzlich unbekannt waren. Und dann ging alles sehr schnell. Wir traten hinaus in den Sonnenschein und gingen gemessenen Schrittes zu dem kleinen, extra für diesen Anlass, aufgebauten Altar. Ich konnte nicht überschauen, wie viele Gäste da waren. Nur in meiner unmittelbaren Umgebung konnte ich die feinen Stoffe der weiblichen Gäste wahrnehmen, ihre zum Teil zu schweren Parfums riechen und sah den Neid in ihren Augen. Salomon übergab mich am Altar meinem Bräutigam. In dem Moment, als Jacques mich anschaute, sackte ich fast zusammen.
Dieser Blick, sein Blick durchbohrte mich. Da war so viel Feindseligkeit, da war so viel Freudlosigkeit, da war so viel Hass.
Mir stiegen die Tränen in die Augen und ich musste mich zusammenreißen, damit sie meiner nicht mächtig wurden. Nur nebenbei bemerkte ich, was für einen phantastisch und gut sitzenden Anzug Jacques trug. Meine Eltern und Schwiegereltern sah ich nur wie durch einen Nebel. Seitlich von Jacques und mir hatten sich all die mir unbekannten Kinder nebst den Brautjungfern eingefunden. Die Brautjungfern waren mir nicht gänzlich unbekannt. Ich hatte sie auf den wenigen Anlässen, zu denen auch ich geladen war, kurz gesehen. Ich sah nicht ihre schönen Kleider, nicht ihre wunderschön hergerichteten Haare oder ihren teuren Schmuck, ich sah nur die Blicke, mit denen auch sie mich bedachten. Oh bitte, ich hatte doch niemandem etwas getan. Ich hatte doch um das alles hier nicht gebeten. Aber ihre Blicke waren neiderfüllt, voller Hass und hämisch.
Als ich später auf meiner langen Reise durch Frankreich noch einmal diese Stunden Revue passieren ließ, war ich mir recht sicher darüber, dass die Geschichte über das Zustandekommen dieser Verbindung ihre Runde gemacht hatte. Obschon, natürlich, es war nicht ungewöhnlich, dass man sein eigen Fleisch und Blut gut an den Mann, oder auch an die Frau brachte. Aber wer weiß, was noch alles aus unserer Familie im Geheimen ganz publik war. Hätte Salomon nicht in meiner Nähe gestanden und Blickkontakt mit mir gehalten, wäre ich wohl das erste Mal in meinem Leben ohnmächtig geworden ob der ganzen Scham. Ich war auf meiner eigenen Hochzeit nicht willkommen gewesen. Nicht einmal bei meinem Ehegatten. Die Trauung war kurz und schlicht. Mir war
Weitere Kostenlose Bücher