Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)
vertraute Person.
Ihre Enkeltöchter lachten über das ganze Gesicht und das Jüngste tönte in die Runde, dass ich ihre Großmutter doch einfach maman Sofie nennen solle. Sophia Dunkante lachte herzlich auf, drückte ihre jüngste Enkeltochter an sich und war der Meinung, dass das eine wundervolle Idee war. Sie schaute mich fragend an .
„Wäre Dir das recht, Chèrie?“
Ich konnte nicht anders. Laut lachend drückte auch ich kurz das kleine Mädchen, das mir gerade bis zur Brust ging, an mein Herz und sagte :
„Gerne. Gerne werde ich Sie maman Sofie nennen.“
Noch völlig gefangen in diesen Augenblick, mahnte uns einer der Kutscher zur Eile. Während das Gepäck von maman Sofie verstaut wurde, nahm sie herzlichen Abschied von ihren Enkeltöchtern. Von den anderen Familienmitgliedern hatte sie sich bereits in der Früh verabschiedet, als diese das Haus verließen. Auch ich wurde herzlichst verabschiedet mit den besten Wünschen und Segnungen für meine Zukunft. Ich konnte nicht anders. Jedes einzelne dieser lieben Wesen musste ich kurz umarmen. Jeder einzelnen wünschte ich ein glückliches Leben. Ich wusste, dass ich keine dieser jungen Damen jemals wiedersehen würde. Aber mein Dank würde sie ihr Leben lang begleiten, auch wenn sie nichts davon ahnten.
So bestiegen zwei Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht hätten sein können, die Reisekutsche, um gemeinsam ihre Reise nach Frankreich anzutreten. Eine über siebzigjährige Frau, die den Großteil ihres Lebens schon hinter sich hatte, aber in dieser Zeit soviel Wärme und Liebe erfahren hatte, dass sie es ausstrahlte und wiedergab. Und eine junge Frau von gerade einmal zwanzig Jahren, die einen Großteil ihres Lebens noch vor sich hatte, die so hungrig nach einem lieben Wort war, so hungrig nach ein bisschen Wärme.
Kapitel 2
Die Reise
Mit den besten Wünschen für unsere lange Reise setzte sich unsere Kutsche in Bewegung. Wir winkten den Zurückgebliebenen zu, bis die Kutsche abbiegen musste und sie aus unseren Blickfeldern verschwanden. Wir lehnten uns entspannt in die gemütlichen Polster zurück. Ich schaute mit großen Augen aus den Fenstern der Kutsche, war doch alles so neu für mich. Zwanzig Jahre hatte ich in Saarlouis gelebt und kannte nichts. Maman Sofie spürte instinktiv, dass ich kein Leben geführt hatte, das man als normal bezeichnen konnte. Für ihre Gesellschaftsschicht nicht, aber auch nicht für die Schicht, der ich entstammte. Sie ließ mich schauen und staunen und bedachte mich dabei mit einem liebevollen, doch auch sorgenvollen Blick.
An diesem Tag verließen wir Saarlouis und für mich war klar, dass ich nie wiederkehren würde. Ich verließ eine Stadt, die ich nicht kannte und reiste zu einem Ort, den ich nicht kannte. So konnte ich mir auch dort etwas aufbauen, was des Begriffs „Zuhause“ würdig war. Es hatte für mich keine Bedeutung. Ich kannte nichts, ich hatte keine Vergleiche. Wenn ich Jacques vorübergehend aus meinen Gedanken verbannte, dann konnte ich mich sogar ein wenig für meine unbekannte Zukunft begeistern.
Unser Weg an diesem Tag führte uns nur einige Dörfer weiter. Die Kutsche hielt vor einem kleinen Landgasthof, der sich von innen als sehr geschmackvoll und behaglich erwies. Nur ganz kurz kam mir der Gedanke, dass es auch völlig ausreichend gewesen wäre, wenn ich am nächsten Tag die Reise in die Bretagne angetreten hätte , aber ich wollte daran keinen weiteren Gedanken mehr verschwenden. Es war gut so. So brauchte ich mich nicht mehr in der Gegenwart von Menschen aufhalten, die mich ablehnten und konnte ein paar mehr Stunden mit maman Sofie verbringen.
Wir erfrischten uns in unseren kleinen Zimmern, die so urgemütlich eingerichtet waren, dass ich mir wünschte, dort ein paar Tage mehr zu verbringen. Aber ich wusste, dass das nicht möglich war. Maman Sofie und ich nahmen ein einfaches Abendessen zu uns, das aus frisch gebratenen Täubchen, Zuckermöhren und aus in einer Sahnesauce gekochten Kartoffeln bestand. Die Wirtin des Gasthofes fragte noch nach unseren Dessertwünschen, aber ich fragte meine Reisegefährtin, ob sie nicht noch auf einen kleinen Plausch in mein Zimmer kommen würde. Da es noch nicht sehr spät war, willigte maman Sofie ein und so trafen wir uns noch auf ein Gläschen Apfelmost in meinem Zimmer. Ich packte die ersten Leckereien unserer Köchin aus und so ließen wir uns die in feinster Schokolade getauchten Früchte schmecken. Wir plauderten ein wenig und wurden uns
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