Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)
einzige Möglichkeit. Meine innere Stimme sagte zu mir: „Mach es. Was soll denn schon passieren? Gar nichts.“ Und so bestellte auch ich mir ein Bier. Ich hatte schon viel von diesem Gebräu gehört, es aber noch nie gekostet. Alle schauten mich verdutzt an. Ich hatte das Gefühl, dass ich ihnen eine Erklärung schuldig war. „Ich habe noch nie in meinem Leben Bier getrunken. Und vielleicht werde ich nie wieder die Gelegenheit dazu haben. Ich habe überhaupt keine Ahnung, was mich in Pointe du Raz erwartet. Welche Regeln ich dort beherzigen muss. Mit welchen Menschen ich es dort zu tun haben werde. Diese Reise bedeutet für mich das erste Stückchen Freiheit in meinem Leben.“ Unsicher sah ich meine vier Tischgenossen an. Soviel auf einmal sprach ich selten. Aber sie hatten verstanden. Hatten verstanden, wie es um mich stand. Heinrich löste das Schweigen, in dem er mir väterlich die Schulter tätschelte und sagte: „Dann probieren Sie ein Bier, mein liebes Kind. Und sollte es Ihnen schmecken, werde ich aufpassen, dass Sie es in Maßen genießen.“
Mit diesen Worten löste Heinrich eine Heiterkeit aus, die es ermöglichte, dass wir auf dieser Reise Freunde wurden. Die ältere Dame aus gutbürgerlichem Haus, die junge Frau aus sehr gutem Hause und die drei Männer aus einfachen Verhältnissen. Von Anfang an wusste ich, dass sie mich alle wieder verlassen würden, verlassen mussten. Aber es waren Menschen, die mich mochten, denen ich Vertrauen schenken konnte, wenn auch nur für eine kurze Zeit. Aber es war bis dahin das kostbarste Geschenk, das ich jemals erhalten hatte und das für immer einen Platz in meinem Herzen haben würde.
Als der junge Knabe, es war der Sohn der Wirtsleute, mir das Bier hinstellte, schnupperte ich erst einmal vorsichtig daran. „Frisch riec ht es. Und so herrlich würzig.“ Ich nippte leicht an meinem Krug, schlucke das Gebräu herunter und verzog das Gesicht. Unsere kleine Gesellschaft lachte und Heinrich sagte: „Nicht nippen. Trinken. Einen kräftigen Schluck nehmen. Wenn wir an unserem Bier nippen würden, dann würde es uns auch nicht schmecken.“ So tat ich es den drei Männern nach, hob den Krug, setzte an und trank. Und siehe da, es schmeckte mir. Es schmeckte mir sogar sehr gut. Ich machte es wie sie und wischte mir mit meinem Handrücken den Schaum vom Mund. Heinrich sah mich lächelnd an und sagte: „Das bleibt aber unter uns, nicht wahr? Nicht, dass es auf einmal heißt, wir hätten der jungen Dame schlechte Manieren beigebracht.“ Ich schüttelte den Kopf. Ganz bestimmt nicht. Dieses Geheimnis würde ich mit ins Grab nehmen. Obwohl, so sinnierte ich ganz kurz, es meiner Familie sowieso egal wäre, was ich weit weg von Saarlouis mache. Mehr Zeit zum Überlegen hatte ich aber gar nicht, da der Sohn der Wirtsleute uns nun aufzählte, was wir zum Abendessen haben könnten. Viele gute Sachen waren dabei. Die Männer entschieden sich für einen Hammeleintopf, der mit viel Knoblauch angereichert sei und dazu frisches Brot. Noch nie in meinem Leben hatte ich Hammel gegessen.
„Was meinst Du, Chèrie, möchtest Du Eintopf essen? Eine Suppe mit Hammelfleisch und viel Knoblauch ist etwas sehr Gutes und wahrlich nicht überall zu bekommen. Nur werde ich es nicht essen, wenn Du etwas anderes möchtest.“
Leicht irritiert schaute ich sie an. Aber dann fiel mir sofort ein, worauf maman Sofie hinauswollte. Knoblauch kannte ich. Auch ich entschied mich für den Eintopf mit viel Knoblauch. Kurze Zeit später wurde Brot, Salzbutter und ein großer Topf mit Eintopf in die Mitte des Tisches gestellt. Maman Sofie erhob sich, um die Teller zu füllen. Toby schaute etwas unsicher in ihre Richtung, aber sie sagte nur: „So fühle ich mich ein wenig wie in meiner Familie. Da ist das auch meine Aufgabe.“
Somit war das Thema erledigt, denn Toby hatte ein wenig Angst, seinen Aufgaben nicht gerecht zu werden. Als maman Sofie einen gefüllten Teller vor mich stellte, stieg sofort ein kräftiger Fleischgeruch in meine Nase, der aber sofort von dem vielen Knoblauch übertüncht wurde. Ich ergriff meinen Löffel, erinnerte mich an das Bier, füllte meinen Löffel vollends und probierte die Hammelsuppe. Zart war das Fleisch, kräftig die Knoblauchnote, Oregano und einen großzügigen Schuss Rotwein konnte ich herausschmecken. Ich konnte nicht anders. Verzückt schloss ich für einen kurzen Moment meine Augen. „Himmlisch. Was für ein Geschmack. Die armen Pferde“, murmelte ich. Maman
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