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Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)

Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)

Titel: Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samarkand
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zitterte und ich hörte sie schluchzen. Ich drückte Sonja sanft von mir weg und mit einem wissenden Blick aus unseren beiden Augen, verabschiedeten wir uns. Ich wusste, was in ihr vorging und sie wusste, wie mir zumute war. Ich hatte ganz einfach nur Angst, ein flaues Gefühl hatte sich in meiner Magengegend ausgebreitet. Ich kam mir vor, als wenn ich nicht nur in kaltes Wasser geworfen worden wäre. Nein, dieses Wasser war tief und ich konnte nicht schwimmen. Sonja hatte es in meinen Augen gesehen. Sie hatte die Panik in meinen Augen wahrgenommen, die sonst immer ruhig in die kleine Welt um sich herum geschaut hatten. Und ich wusste, dass mit meiner Abreise ihr Leben in unserem Haus für sie zu Ende war. Auch sie würde, nachdem die Spuren der Hochzeit beseitigt worden wären, für immer dieses Haus verlassen und in Zukunft zwei älteren Damen als Gesellschafterin zur Seite stehen. So gingen wir beide einem ungewissen Schicksal entgegen, wobei ich sofort und auf der Stelle mit Sonja getauscht hätte. Aber das war nun einmal nicht möglich, denn ich war die Handelsware und nicht Sonja.
    So verließ ich tränenlos, denn geweint wurde bei uns zu keinem Anlass, ohne Jacques, meine Familie in Saarlouis, um ein neues Leben in einem fremden Land zu beginnen. Ich hatte Angst und hatte ein flaues Gefühl in der Magengegend, aber so langsam war ich auch ein wenig aufgeregt. Und so war der Gang der Dinge für mich in Ordnung. Ich kannte es ja nicht anders. Ich hätte gar nicht gewusst, was ich hätte tun oder sagen sollen. So verabschiedete ich mich von unseren Bediensteten, die, wie alle Gäste, zum Abschiednehmen zur Kutsche gekommen waren. Der Abschied war freundlich, wir wünschten uns gegenseitig alles Gute und unsere Köchin gab mir noch einen Extrakorb voll süßer Leckereien, die ich über alles liebte, mit. Und so fiel der Abschied von unseren Dienstboten herzlicher aus, als der von meiner Familie. Meine Eltern drückten mich kurz, ebenso meine Schwiegereltern und mein Großvater. Keiner schaute mir in die Augen oder hatte wenigstens jetzt, wenn meinetwegen auch geheuchelt, ein liebes Wort für mich. Mein Vater murmelte nur etwas, was sich für mich anhörte, dass für die Fahrt von Saarlouis nach Pointe du Raz alles geregelt sei und ich mir keine Sorgen machen sollte. Die Kutscher wüssten über alles Bescheid und ich müsse mich um nichts kümmern. Innerlich krümmte ich mich. Wie schön, dass alles geregelt war. Wie schön, dass sich andere um meine Belange kümmern würden. Ich hätte nicht einmal gewusst, was zu tun gewesen wäre. Ich wusste noch nie über etwas Bescheid und ich hatte mich auch noch nie gekümmert. Langsam wurde mir all das zu viel, selbst meine eigenen Gedankengänge. Ich hätte doch lieber auf den Champagner verzichten sollen. Jetzt war es zu spät. Nach all den sinnbildlichen Ohrfeigen, die mich heute bereits getroffen hatten, ging ich nicht davon aus, Jacques noch einmal zu sehen. Bestimmt war er schon unterwegs zu seinen Geschäften. All den Gästen, die mich ansahen, nein angafften wie ein seltenes Tier im Zoo, die nur darauf warteten, meine Schmach mitzuerleben, würde ich jetzt auf immer und ewig entkommen. Aber die Gäste wurden enttäuscht, denn Jacques war noch da.
    Er trat jetzt hinter seinem Vater hervor, wo ich ihn gar nicht wahrgenommen hatte. Er berührte meine Schultern kaum und auch meine Lippen nur wie ein Windhauch. Aber für die Gäste könnte es den Anschein gehabt haben, dass es sich um eine zärtliche Berührung zweier junger Menschen gehandelt haben könnte, für die zum Kennenlernen jetzt noch nicht die Zeit da war.
    Aber ich wusste es besser. Jacques war, von wem auch immer, zu dieser Handlung genötigt worden. Bei unserer schmetterlingshaften Berührung konnte ich nicht in seine Augen sehen, da er sie geschlossen hielt. Aber bestimmt nicht aus Leidenschaft, sondern einfach, weil er es nicht ertragen konnte, mich anzusehen. Aber mit den Gästen könnte ich Recht gehabt haben. Gerade bei den jungen Damen der Gesellschaft, die mich vorher nur mit neidischen und hämischen Blicken bedacht hatten, fiel jetzt auf, dass ihr Lächeln auf den Lippen wie eingefroren wirkte. Sie wussten ja nicht, was ich wusste. Und so winkte ich „meinen“ Hochzeitsgästen lächelnd zu, bestieg die Kutsche, in der noch niemand saß, setzte mich in Fahrtrichtung und winkte meiner alten und neuen Familie und unseren Dienstboten noch einmal zu, bevor der zweite Kutscher die Tür schloss. Ich

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