Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)
hörte wie auch er seinen Platz auf dem Kutschbock einnahm. Ein Peitschenknall ertönte und mit einem sanften Ruck setzte sich die Kutsche, gezogen von acht prachtvollen Pferden, in Bewegung. Ich lehnte mich zurück und schloss meine Augen für einen Moment. Tief atmete ich einige Male ein und wieder aus. Endlich war ich weg. Endlich, endlich war ich diesen Menschen entronnen. Das flaue Gefühl im Magen ließ nach und stattdessen fühlte ich ein leichtes Prickeln. Der Beginn eines neuen Lebensabschnitts. Weiß Gott, der Beginn des Arrangements war nicht so, wie ich es mir erträumt hatte, aber es war ein Neuanfang.
Als ich die Augen wieder öffnete, konnte ich noch einmal einen Blick auf die Gestalt Salomons erhaschen, der sich von der Gesellschaft entfernt hatte und ein Stück des Weges der Kutsche vorausgegangen war, um noch einmal zum Abschied zu winken. Schnell presste ich mein Gesicht an das Fenster der Kutsche und warf ihm eine Kusshand zu. Er musste es gesehen haben, denn er lächelte, als er sich umdrehte, um seinen Weg wieder zurückzugehen.
Ich lehnte mich wieder in meinen Sitz zurück und gerade, als ich erneut meine Augen schließen wollte, fiel mir die mir angekündigte Dame ein, die einen Großteil der Reise mit mir gemeinsam unternehmen wollte. Wer sie wohl war? Über was sollte ich mit ihr reden? Was wusste sie von mir? Was wusste sie wirklich von mir?
Schon k urze Zeit später hatte die Kutsche die Stadt verlassen und wir hielten vor einem recht schlichten, aber sehr hübschen Haus. Ein Dienstbote stand bereits uns erwartend am Straßenrand. Als er unsere Kutsche erblickte, drehte er sich um und rief etwas, das ich nicht verstehen konnte. Aber flugs darauf eilten ein paar weibliche Bewohner des Hauses mit kleineren Gepäckstücken heraus, die sie an den Straßenrand stellten. Ich war schon sehr gespannt. Da es sich um eine ältere Dame handeln sollte, würde es wohl keine der jungen Damen sein, die sich dort am Straßenrand versammelt hatten. Schade, sie sahen alle so nett aus. Sie alle waren hübsch anzusehen in ihren geblümten Kleidern. Sie wirkten unbeschwert und glücklich. Sie wirkten und waren ganz anders als ich. Am Rande überlegte ich kurz, wie meine Mutter an eine Reisebegleitung aus einem Haus wie diesem geraten war? Egal, war ich doch augenblicklich erleichtert, dass ich nicht die verknöcherte und viermal verheiratete Schwiegermutter einer der besagten Freundinnen meiner Mutter auf meiner langen Reise ertragen musste. Oder überhaupt eine Dame aus einem der sogenannten besseren Häuser. Dieses Haus hier strahlte Behaglichkeit und Wärme aus. Ich erkannte das instinktiv, denn es war ganz anders als das Haus, das sich mein Zuhause nannte. Und genauso strahlten die Menschen, die aus diesem Haus kamen, Wärme, Herzlichkeit und Heiterkeit aus. Gerade als eine ältere Dame das Haus verließ, öffnete der Page die Tür der Kutsche und ich beeilte mich, auszusteigen. Wollte ich doch nach meiner missratenen Vermählung mich kurz in die Gesellschaft von Menschen begeben, die mich an Salomon erinnerten.
Seid Ihr immer noch überrascht? Für mich war Nähe, Freundlichkeit und Herzlichkeit nichts Selbstverständliches. So glaubt mir nur, dass ich alles, was mir über den Weg lief, was freundlich und lieb war, aufsaugen wollte. Und bis zu eben diesem Tag war es bestimmt nicht viel.
So s tieg ich also aus der Kutsche und bemerkte unweigerlich, wie die jungen Frauen mich musterten. Nicht durchs Alter, aber allein durch die Kleidung, durch die Kutsche, durch den Pagen, ach ich weiß auch nicht, durch was noch, unterschied ich mich doch sehr von ihnen. Aber sie hatten keine Ahnung, wie sehr ich mich wirklich von ihnen unterschied. Das, was sie ausstrahlten, hatte ich nie kennengelernt. Die Kleidung, die ich trug und alles, was ich je in meinem Leben besessen hatte, hätte ich auf der Stelle eingetauscht gegen das, was diesen wundervollen Wesen in ihrem Leben mit auf den Weg gegeben wurde. Und ich wollte diesen Moment. Ich wollte einen Moment Wärme und Herzlichkeit aufsaugen. Und so gab ich das Einzige, was ich zu geben hatte. Mich. Meine Ehrlichkeit, meine Aufrichtigkeit, meine Begierde auf das Leben und vielleicht sogar mein Betteln um ein bisschen Nähe. Ich lächelte alle um mich herum an. Es war ein ehrliches Lächeln, denn die Falschheit oder Affinitäten aus meiner sogenannten Gesellschaft hatte ich nie kennengelernt. Und sie lächelten zurück. Mein Herz wärmte sich daran und sofort,
Weitere Kostenlose Bücher