Damals im Dezember
zögerte. »Macht euch keine Mühe deswegen.«
»Keine Mühe wegen was?«
»An der Abschlusszeremonie teilzunehmen. Das ist nicht so wichtig. Ein paar Tage später bin ich ohnehin zu Hause.«
Mary klang verärgert. »Für deinen Vater ist es aber wichtig. Er ist sehr stolz auf dich.«
»Sag ihm, dass ich das zu schätzen weiß, aber wenn es recht ist, würde ich lieber keine große Sache daraus machen.«
Sie schwieg einen Moment lang und meinte dann: »Gut, ich werde es ihm sagen.«
Ich weiß nicht, ob ich meinen Vater verletzt habe oder ob er einfach meinen Wunsch respektierte, aber er rief mich nicht an, um mich umzustimmen.
***
Ein paar Stunden nach unserer Abschlusszeremonie versammelten wir sechs von der Wharton uns zu einem letzten Treffen im Smokey Joe’s.
»Also, was läuft heute Abend?«, fragte Marshall, der ein großes Glas Bier in den Händen hielt. Lucy stand hinter ihm, die Arme um ihn geschlungen.
»In der Delancey Street steigt eine Party«, schlug Sean vor. »Eine Nacht der puren Ausschweifungen.« Er wandte sich an James. »Du wirst da wohl nicht hingehen wollen.«
»Danke für die Warnung«, meinte James.
Ich war ein wenig überrascht, James überhaupt zu sehen, da er sich eine ganze Weile nicht hatte blicken lassen.
»Was meinst du?«, fragte ich Candace. »Willst du hin?«
Sie runzelte die Stirn. »Vergiss nicht, dass meine Mutter in der Stadt ist.«
»Sicher, ja«, sagte ich. Ich hatte keine Lust, den Abschlussabend mit Candaces Mutter zu verbringen, und Candace hatte das eigentlich auch nicht.
»Komm mit, Luke«, forderte mich Marshall auf. »Lassen wir’s krachen an unserem letzten Abend.«
»Ja, Luke, leb deine dunkle Seite aus«, schloss sich Sean an. »Ich bin dein Vater, Luke.«
»Na, komm schon«, sagte Lucy. »Wir werden uns bestimmt amüsieren.«
Ich sah Candace um Erlaubnis bittend an.
»Mach, was du willst«, meinte sie.
»Gut«, sagte ich zu Sean. »Ich bin dabei.«
»Toll«, erwiderte er.
»Super!«, rief Marshall. »Das letzte Gastspiel der sieben von der Wharton minus James. Und Candace. Und allen anderen, die nicht aufkreuzen.«
***
Als wir alle das Smokey Joe’s verließen, packte mich James an der Schulter. »He, gehst du wirklich zu der Party?«
»Ja. Warum kommst du nicht mit uns mit?«
»Nein, so ein Mist macht mir keinen Spaß.«
»Welcher Mist denn?«
»Die Leute kotzen. Prügeln sich. Wachen an seltsamen Orten mit noch seltsameren Menschen auf. Ich dachte daran, ein paar Leute zusammenzutrommeln, Steaks zu grillen und 24 zu gucken.«
»Du hast dir das ja alles schon genau zurechtgelegt«, sagte ich.
»Warum kommst du nicht auch?«, fragte er. »Wird bestimmt nett.«
»Tut mir leid, ich bin schon verabredet.«
»Ich leg noch was drauf«, versuchte es James. »Ich mache Pilze in Burgundersauce. Es geht nichts über meine Pilze in Burgunder.«
»Tut mir leid, James.«
»Ich kann dich wirklich nicht dazu überreden?«
»Nein. Lass uns morgen früh Pfannkuchen essen. Wir gehen ins IHOP, ich lad dich ein.«
Er wirkte niedergeschlagen. »Morgen früh? Glaubst du, dass dir dann danach ist?«
»Eben nicht zu früh«, sagte ich.
Er zwang sich zu lächeln. »Okay, Mann. Aber ruf mich an, wenn du es dir noch anders überlegst.«
»Mach ich, danke.«
Als ich ihm nachsah, sagte mir eine innere Stimme, dass ich mit ihm gehen sollte. Beinahe hätte ich es getan. Ich hätte es tun sollen. Unserer beider Leben wären anders verlaufen, wenn ich es getan hätte.
Dreizehntes Kapitel
Man sagt, dass Leben das ist, was einem widerfährt, während man seine Pläne ändert.
Das Gleiche gilt für den Tod.
Aus dem Tagebuch von Luke Crisp
Ausnahmsweise war die Party überhaupt nicht so, wie Sean behauptet hatte. Wie üblich war er um elf betrunken und verließ die Party mit einer jungen Blondine, die aussah, als sei sie kaum achtzehn. Lucy und Marshall gingen eine halbe Stunde später ebenfalls. Ich blieb noch und trank weiter und hörte irgendeiner Frau zu, die mir erzählte, warum sie mit ihrem Freund Schluss gemacht hatte – eine quälend lange Einleitung, um mich zu informieren, dass sie zu haben und verzweifelt war. Ich wünschte, mit James oder auch mit Candace gegangen zu sein. Es war ein vertaner Abend.
***
Am nächsten Morgen wurde ich dadurch wach, dass Candace mich schüttelte. »Luke, wach auf.«
Ich drehte mich um und öffnete die Augen. Die Morgensonne schien grell durch mein Fenster, und der Kopf brummte mir von zu viel Bier. Dann
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