Damals im Dezember
mir leid, Mr Crisp arbeitet hier nicht mehr.«
»Was meinen Sie damit, dass mein Vater dort nicht mehr arbeitet?«, meinte ich verärgert. »Geben Sie mir Henry.«
»Ich werde mal nachsehen, ob Mr Price zu sprechen ist. Wen darf ich ihm melden?«
»Luke Crisp«, wiederholte ich. Sie schaltete mich in die Warteschleife.
Es dauerte ganze zwei Minuten, bis Henry sich meldete. »Wenn man vom Teufel spricht«, sagte er. »Wie geht es dir?«
»Henry, wo ist mein Vater?«
»Bin ich Hüter deines Vaters?«
»Die Vorzimmerdame sagte, dass er nicht mehr da ist.«
»Sie ist meine neue Assistentin«, informierte er mich. »Und nein, er ist ausgeschieden, Luke.«
Ich war fassungslos. »Ausgeschieden?«
»Ist es nicht das, was du vorgeschlagen hast? Wieso weißt du das nicht?«
»Ich habe seit meiner Abreise nicht mehr mit meinem Vater gesprochen.«
»Dann weißt du nichts von seiner Operation.«
»Von welcher Operation?«
»Von welcher Operation? Seinem dreifachen Bypass.«
»Was? … Henry, niemand hat es mir gesagt.«
»Du hast ihm das Herz gebrochen, weißt du. Vielleicht buchstäblich. Es wundert mich nicht, dass er keinen Kontakt zu dir gehabt hat. Du hast ihn im Stich gelassen, und du warst nicht da, als er dich brauchte. Jetzt verstehe ich, warum er gesagt hat, was er gesagt hat.«
»Was hat er gesagt?«
»Er hat gesagt, dass du für ihn gestorben bist.«
Die Worte trafen mich wie ein Eimer mit Eiswasser. »Das hat er gesagt?«
»Seine genauen Worte waren: ›Ich habe keinen Sohn.‹«
Einen Moment lang sagte keiner von uns etwas. Dann fragte Henry: »Also, warum hast du dich wieder gemeldet? Ist dir die Knete ausgegangen?« Als ich nichts antwortete, meinte er: »Dachte ich mir’s doch. Viel Glück, Luke. Du hast dir dein Bett bereitet, nun schlaf auch darin.« Damit legte er auf.
Ich ließ mein Handy langsam in den Schoß sinken und saß wie gelähmt da. Candace starrte mich an. Meine schlimmsten Befürchtungen hatten sich bestätigt.
»Was hat dein Vater gesagt?«, fragte sie.
»Mein Vater ist nicht mehr bei Crisp’s.« Ich sah nach unten und kämpfte gegen die Welle von Gefühlen an, die mich überrollte. »Mein Vater hatte eine Bypass-Operation am Herzen.«
»Du musst zu ihm zurückgehen«, meinte Candace.
Meine Augen füllten sich mit Tränen. »Das kann ich nicht. Er will nichts mehr mit mir zu tun haben.«
Candace stützte den Kopf in die Hände. Nach ein paar Minuten legte ich ihr die Hand auf den Rücken, um sie zu trösten.
»Wir müssen zusammenhalten«, sagte ich. »Alles wird gut.«
Sie sah zu mir hoch, die zerlaufene Mascara im Gesicht. »Siehst du die Wahrheit nicht? Wie soll das alles gut werden? Wie wollen wir leben?«
»Wie der Rest der Welt auch. Wir suchen uns Arbeit. Wir haben MBAs, wie werden unseren Weg schon machen.«
Candace sagte nichts. Sie senkte lediglich den Blick, beugte sich vor und legte die Hände vor das Gesicht. Die nächsten fünfzehn Minuten saß Candace einfach nur da und weinte. Schließlich hörte sie auf und sah zu mir auf.
»Es tut mir leid«, sagte sie. »So, wie die Dinge stehen, müssen wir alles noch mal überdenken, glaube ich.«
Ich sah sie an. »Was genau heißt das?«
»Das heißt, dass ich mir mit allem hier nicht sicher bin.«
»Mit allem hier? Du meinst, mit uns?«
»Ja. Mit uns.«
Meine Brust verkrampfte sich vor Zorn. »Als ich noch Geld hatte, gab es mit uns keine Probleme.«
»Mach mich nicht zu jemand Geldgierigem. Habe ich dich darum gebeten, nach Europa zu reisen? Habe ich dir nicht gesagt, dass du zu viel ausgibst?«
»Und wo liegt dann das Problem?«, fragte ich.
»In dem hier . Mit nichts anfangen. Ich kann das nicht.«
»Wir können es gemeinsam versuchen. Wir bauen uns gemeinsam ein Leben auf.«
»Und verlieren die besten Jahre unseres Lebens.«
»Nicht unbedingt. Es könnten auch die besten Jahre unseres Lebens sein. Wir werden zusammensein.«
»Wir werden lernen, uns zu hassen.«
Ich konnte nicht glauben, was sie da sagte. »Warum redest du so?«
»Du hast ja keine Ahnung. Ich habe das schon erlebt. Ich habe mein ganzes Leben lang zugesehen, wie meine Eltern Opfer brachten und knauserten und sparten, bis es ihre Ehe zerstört hat. Als es endlich aufwärts ging, hat uns mein Vater verlassen. So ist es.«
»So ist es nicht«, widersprach ich ärgerlich.
»Du kennst das nicht.« Sie atmete langsam aus. »Ich liebe dich, Luke, aber mit so einem Leben habe ich mich nie einverstanden erklärt – Kupons
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