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Damals warst du still

Titel: Damals warst du still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa von Bernuth
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warten.

35
    Donnerstag, 24. 7., 20.03 Uhr
    Der Anruf von Berghammer kam, als Mona mit Lukas und Anton in einem Burger King saß und Lukas sich mit Hamburgern und Fritten voll stopfte und glücklich aussah wie selten. Er war ziemlich groß für sein Alter und kam bereits in den Stimmbruch, und schon deshalb fand es Mona rührend und erstaunlich, dass er immer noch so gerne mit seinen Eltern zusammen war. Auch wenn sie ganz genau wusste, dass der Grund für Lukas’ kindliche Anhänglichkeit ein Versäumnis ihrerseits war. Denn Anton und sie hatten jahrelang ihren Zwist, der sich immer wieder daran entzündete, dass Anton niemals der Mann sein würde, den Mona öffentlich präsentieren konnte, auf Lukas’ Rücken ausgetragen.
    Lukas ist dankbar, dachte Mona, während sie in ihre heiße Apfeltasche biss und Anton dabei ansah, der gut aussehend und braun gebrannt dasaß, und nichts von diesem »Schrott« wie er es nannte, zu sich nahm. Der mitgekommen war, obwohl er Fastfood-Restaurants hasste, nicht nur das Essen, auch die laute, billige Atmosphäre. Er war ein guter Vater, aber das würde ihr und Lukas nichts nützen – im Fall des Falles.
    »Wie war dein Tag?«, fragte er.
    »Und deiner?«, schnappte sie zurück, wohl wissend, dass er ihr nichts darüber erzählen würde. Heute wieder ein paar BMWs in die Ukraine verschoben ?, hätte sie am liebsten gefragt und tat es nur deshalb nicht, weil Lukas dabei war (der doch irgendwann sowieso begreifen würde, womit sein Vater so viel Geld verdiente!).
    »Gut«, sagte Anton gelassen, und gut war vor allem, dass jetzt ihr Handy klingelte, was jenes Gespräch gar nicht erst entstehen ließ, das sie schon hundert Mal geführt hatten und das immer ohne Ergebnis geblieben war.
    »Ja?«, sagte sie in den Hörer.
    »Martin Berghammer hier.«
    Ihr dämmerte Schlimmes. »Ja?«
    »Die alte..., die Schwester von diesem Plessen. Sie ist...«
    »Was?« Mona sprang auf, Anton und Lukas sahen peinlich berührt zu ihr hoch, ein paar Leute drehten sich um.
    »Sie ist tot, Mona. Ermordet.«
    »O nein. Nein.«
    »Wir fliegen heute noch mit dem Heli hin. Du, Hans und ich. Es ist alles organisiert. Wir treffen uns um zehn am Flugplatz.«
    »Ja. Klar.« Sie dachte an ihr Gespräch mit Plessen, das sich nun um einen weiteren Tag verschob. Aber das hier war noch wichtiger. Wie er es wohl aufnehmen würde, dass seine Schwester nun tatsächlich tot war?
    »Es... tut mir Leid, Mona«, sagte Berghammer. »Ich war … Ich hab falsch gelegen mit diesem...«
    »Tja, Martin, das nützt jetzt nicht mehr allzu viel, stimmt’s?«
    Das Werden der Persönlichkeit ist ein Wagnis, und es ist
tragisch, dass gerade der Dämon der inneren Stimme höchste
Gefahr und unerlässliche Hilfe zugleich bedeutet. In unergründlicher
Weise ist oft Niederstes und Höchstes, Bestes
und Verruchtestes, Wahrstes und Verlogenstes gemischt, einen Abgrund von Verwirrung, Täuschung und Verzweiflung
aufreißend.
    C. G. Jung

DRITTER TEIL

1
    Donnerstag, 24. 7., 20.10 Uhr
    Am Donnerstagabend verließ David das Haus Plessens, wie die anderen auch. Der Regen hatte aufgehört, aber die Luft fühlte sich noch kühl und feucht an, als sie gegen acht Uhr durch das parkähnliche Anwesen zum schmiedeeisernen Tor gingen. David hielt sich hinter dem Rest der Gruppe und trat kurz bevor der Erste – Hilmar – das Tor öffnete hinter einen Rhododendron.
    Er duckte sich und sah auf die kräftigen dunkelgrünen Blätter. Im nassen Gras sogen sich seine Turnschuhe mit Wasser voll, und das war nicht gut, weil er auf diese Weise sichtbare Spuren hinterlassen würde. Er durfte nicht vergessen, die Schuhe auszuziehen, bevor er das Haus erneut betreten würde, und notierte sich das in Gedanken. Angestrengt lauschte er den Gesprächen der sich entfernenden Gruppe, um festzustellen, ob sie ihn draußen eventuell vermissten. Es klang nicht so. Auch die Polizisten zählten nach Davids Erfahrung nie nach, ob all die Leute, die tagsüber im Haus gewesen waren, es abends auch wieder verließen. Morgens machten sie immer einen Riesenaufstand mit Personalausweiskontrolle und allem, und abends guckten sie nicht einmal richtig hin, wer herauskam und wer nicht. Am zweiten Tag des Seminars hatte David Mona Seiler von dieser Unaufmerksamkeit berichten wollen, es aber vergessen. Jetzt kam ihm das zugute.
    David hörte ein paar Abschiedsgrüße, das dumpfe Plopp zufallender Autotüren, dann mehrere Startgeräusche auf einmal und das Knirschen von Kies unter

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