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Damals warst du still

Titel: Damals warst du still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa von Bernuth
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tatsächlich schien der Mann so geschickt wie ein Arzt oder Krankenpfleger zu sein. »Es ist gleich vorbei«, sagte er mit geschäftsmäßiger Stimme, und das war die Sekunde, in der Helga Kayser sich geschlagen gab. Das Knie des Mannes auf ihrem Brustkorb schnürte ihr die Luft ab, von unten zog es kalt in ihren alten, geschwächten Körper, ihre Niere begann wieder zu schmerzen (es war die zweite, die nach der Operation verbliebene, ohne sie wäre sie abhängig vom Dialysegerät), und sie hatte plötzlich nicht mehr die Energie, sich zu wehren. Sie sah in die Augen ihres Peinigers, suchte dort nach etwas – sicher nicht Liebe, aber doch Beruhigung, so etwas wie eine Belohnung dafür, dass sie sich so brav und schicksalsergeben in seine Pläne fügte -, aber der Mann sah sie an wie ein Ding ohne Leben, ohne Persönlichkeit. Für ihn war sie jetzt schon eine Leiche. »Schluss jetzt«, sagte er, und sie spürte den Piks der Nadel und redete sich ein, dass man ihr Blut abnehmen und danach etwas gegen ihre Schmerzen geben werde, und das waren dann schon die letzten bewussten Gedanken ihres Lebens. Das Nächste, was sie spürte, war ein Blitz, der durch ihren Körper ging und gleich danach ein umfassendes Wohlbehagen.
    Dann Atemnot.
    Dann nichts mehr.

33
    Donnerstag, 24. 7., 13.00 Uhr
    Helmut fehlte. Das war es, was David sofort aufgefallen war, als er den Therapieraum betreten hatte. Er hatte Fabian gefragt, Franziska und Raschida, aber niemand hatte etwas gewusst, und schließlich hatte er aufgegeben. Sie saßen beim Essen und schwiegen. David blieb wachsam. Heute Nacht würde er mehr wissen.

34
    Donnerstag, 24. 7., 13.18 Uhr
    »Ich muss mit Ihrem Mann sprechen«, sagte Mona. »Es ist dringend.«
    Sie hörte die verängstigte Stimme von Roswitha Plessen durch den Hörer und schloss genervt die Augen.
    »Ich kann ihn jetzt nicht stören. Er hat... Er arbeitet mit Klienten!«
    »Na und? Dann muss er das eben für eine Stunde unterbrechen!«
    »Das..., das macht er nicht. Nie! Ich darf ihn nicht einfach so stören.«
    Sie würde es nicht tun, sie hatte viel zu viel... Respekt vor ihren Mann. Respekt? Oder Angst? Mona holte tief Luft. »Es geht um Ihren Sohn, Frau Plessen«, sagte sie. »Ich meine Sam, Ihren Sohn. Verstehen Sie mich?«
    Schweigen am anderen Ende der Leitung. Dann, verstört: »Was meinen Sie damit?«
    »Was meine ich womit, Frau Plessen?«
    »Ich...«
    »Ich rede von Ihrem Sohn Sam. Den Ihr Mann adoptiert hat. Was er und Sie versäumt haben, uns mitzuteilen – unverzeihlich übrigens, wenn man bedenkt, dass sein leiblicher Vater möglicherweise etwas mit der Tat zu tun hat.«
    »Sein leiblicher Vater ist tot. Sonst hätten wir...«
    »Nein, Frau Plessen das hätten Sie bestimmt nicht. Weil Ihr Mann gar nicht möchte, dass jemand erfährt, dass er Sam nur adoptiert hat. Ist es nicht so?«
    »Okay«, sagte Roswitha Plessen nach einer Pause. »Ich hole ihn.«
    »Danke.«
    Mona legte den Telefonhörer auf den Tisch und schaltete auf Lauthören. Sie zündete sich eine Zigarette an – die dritte an diesem Tag – und dachte an Plessen und die Wirkung, die er auf Menschen hatte, an David Gerulaitis, den sie nicht erreichen konnte und von dem sie nicht einmal wusste, ob er seinen Auftrag weiterverfolgte oder untergetaucht war.
    »Plessen », dröhnte es aus dem Lautsprecher, und Mona nahm den Hörer in die Hand. »Mona Seiler, Mordkommission«, sagte sie. »Ich muss mit Ihnen sprechen. Am besten sofort.«
    »Das geht selbstverständlich nicht.«
    »Warum haben Sie uns verschwiegen, dass Ihre Schwester noch lebt?«
    »Was?«
    »Sie haben meinem Kollegen erzählt, Ihre Schwester sei gestorben. Das ist nicht wahr, sie lebt. Warum haben Sie das getan?«
    »Mein Gott...« Er klang jetzt etwas konzilianter.
    »Warum?«, beharrte Mona.
    »Können wir heute Abend darüber reden?«
    »Nein, ich will jetzt mit Ihnen darüber reden! Sofort!«
    »Dann laden Sie mich vor. Ich habe Klienten hier, und denen gegenüber habe ich eine Verantwortung. Wir sind mitten drin, ich kann die jetzt nicht allein lassen.«
    »Sie können doch wohl eine Pause machen!«
    »Nein. Und jetzt lassen Sie mich in Ruhe! Heute Abend, ab neun, bin ich frei. Dann können wir reden.« Er legte auf. Als Mona ein zweites Mal anrief, lief der Anrufbeantworter. Sie sah auf die Uhr: Es war genau zwei Uhr. Sollte sie Plessen abholen lassen oder bis heute Abend warten?
    Er würde ihr nichts erzählen, nicht unter Zwang.
    Sie beschloss zu

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