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Damals warst du still

Titel: Damals warst du still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa von Bernuth
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warmen gelben Tönen gestrichene Wand und rauchten, ohne sich anzusehen.
    »Scheiße ist hier passiert«, sagte Mona schließlich.
    »Klar. Aber das hab ich nicht gemeint.«
    Mona wandte den Kopf und betrachtete Kerns scharf geschnittenes Profil. »Weiß ich doch. Was hast du gemeint?«
    Kern fixierte einen Punkt auf der Wand gegenüber. »Der Täter... Irgendwas hat ihn aus der Reserve gelockt. Irgendwas oder irgendwer.«
    »Das hier..., das war nicht geplant?«
    »Ganz bestimmt nicht. Bislang ist alles nach Plan gelaufen, nach seinem Plan natürlich; er war uns immer die berühmte Nasenlänge voraus. Ganz cool. Aber das hier ist ein Schlachthaus.«
    »Du meinst, er hat es nicht gewollt?«
    »Nein. Jemand ist ihm in die Quere gekommen, deshalb hat er das hier veranstaltet.«
    »Wer kann das denn gewesen sein, Clemens? Ich meine … Wir haben doch immer brav nach seiner Pfeife getanzt. Waren immer zu spät am Tatort. Genau wie jetzt.« Mona nahm einen tiefen Zug und merkte zu spät, dass sie bereits am Filter angelangt war. Zu den Gerüchen des Todes gesellte sich nun noch der beißende Gestank nach Verkokeltem. Genervt warf sie die Zigarette auf den Boden und trat sie aus. Die Tatortleute waren schon da gewesen, insofern war es egal.
    »Keine Ahnung«, sagte Kern und stieß sich von der Wand ab. »Wann ist Konferenz?«
    Mona sah auf die Uhr. »In zwei Stunden. Um zwölf. Ich will vorher noch in die Klinik zu Plessen.« Plötzlich wurde ihr klar, dass Berghammers Krankheit sie ratzfatz zur neuen Leiterin der Ermittlungen befördert hatte. Es gab niemanden außer ihr, der das hätte übernehmen können. EKHK Krieger, ihr direkter Chef, war schon seit anderthalb Jahren krankgeschrieben, und seine Stelle war nie kommissarisch besetzt worden, weil man festgestellt hatte, dass sie eigentlich ziemlich überflüssig war. Berghammer hatte seine Aufgaben mit übernommen. Und nun war sie dran mit Berghammers Aufgaben, zumindest was die SoKo Samuel betraf.
    »Zwölf Uhr«, wiederholte sie. Wenn sie sich jetzt nicht beeilten, konnte sie ihren Urlaub zu dritt vergessen, und sie wusste genau, dass jeder Mann diese Überlegung als Lappalie bezeichnet hätte. Aber für sie war es alles andere als das. Urlaub war die einzige Möglichkeit, vierundzwanzig Stunden lang mit ihrem Sohn zusammen zu sein. Und diese Nähe brauchte er genauso wie seine Mutter.
    Sie mussten es einfach schaffen.
    »Zwölf Uhr«, wiederholte Kern. Er ging ins Bad zurück, warf seine aufgerauchte Zigarette ins Klo und betätigte die Spülung, scheinbar unempfindlich für die Leiche in der Badewanne, für das bräunlich rote Blut an den Wänden.
    Mona sah ihm einen Moment lang zu, gedankenverloren, dann ging sie nach unten ins Erdgeschoss, um ihre Leute zu suchen: ihr Team, das alles andere als perfekt war, aber nun mal das einzige, das sie hatte. Auf der Treppe stieß sie auf Patrick Bauer, der mit dem Rücken zu ihr auf der drittuntersten Stufe saß und eifrig etwas in seinen Block kritzelte.
    »Und?«, fragte Mona hinter ihm. »Was Wichtiges herausgefunden?«
    Bauer sprang auf wie ein Rekrut in Hab-Acht-Stellung und drehte sich um, das Gesicht hochrot. »Ich... äh...«
    »Schon gut«, sagte Mona und ging an ihm vorbei die Treppe hinunter, ihm sachte die Schulter tätschelnd. »Das hat Zeit bis zur Konferenz.«
    »Entschuldigung«, sagte Bauer mit seiner verlegenen Stimme.
    »Ja. Ist schon gut.« Mona ging weiter zur Haustür. Irgendwas stimmte wieder nicht mit ihm, aber um Bauers Probleme konnte sie sich jetzt nicht kümmern. »Konferenz ist übrigens um zwölf. Kannst du das den anderen sagen?«
    »Ja, ich...«
    »Okay.« Mona machte die Tür auf, ein Strahl Morgensonne erhellte die Diele. »Bis nachher.«
    »Mona. Warte... Kannst du mal kurz warten?«
    Das auch noch. Mona drehte sich um, die Klinke in der Hand. »Ja?«, fragte sie ungeduldig.
    »Ich... Da war eine Köchin. Oder Haushälterin. Sie hat das hier überlebt. Ich hab gerade mit ihr gesprochen. Zufällig. Sie saß in ihrem Zimmer, und ich kam da zufällig rein, und...«
    »Oh. Aha.« Etwas hatte sich verändert. Etwas Wichtiges. Mona schloss langsam und sorgfältig die Tür; die Diele versank wieder in kühler Dämmerung. Bauer stand noch immer an der Treppe. Sie ging wieder zu ihm hin. »Setzen wir uns«, sagte sie und tat es Bauer vor. Er nahm zögernd neben ihr auf der Stufe Platz. »Welche Haushälterin?«, fragte Mona und hoffte und ahnte im selben Moment, dass sie vor einer Art Durchbruch

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