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Damals warst du still

Titel: Damals warst du still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa von Bernuth
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seine Leistung mit dem Schwanz wedelte. Gleichzeitig war dem Jungen noch nie so klar gewesen wie jetzt, dass ihn diese Tat für immer und ewig zur Einsamkeit verdammte. Der Junge verscheuchte diese Gedanken, schaltete die Taschenlampe ein und legte sie auf einen Baumstumpf, den Strahl genau auf Bauch und Unterleib der Leiche gerichtet. Er öffnete den Mantel der Toten, und schnitt mit seinem frisch geschliffenen Messer Rock und Bluse auf, danach BH und Unterhose. Nun lag die Frau, deren Namen er nicht einmal kannte, nackt vor ihm. Und diesmal würde er mit ihr tun können, was immer er wollte. Sie würde sich nicht mehr wehren, nie mehr. Sein Herz klopfte einen hämmernden Rhythmus. Er holte tief Luft. Langsam beugte er sich nach vorn und machte den ersten Schnitt. In ihm brodelte ein Verlangen, das auf die totale Zerstörung ausgerichtet war, aber er hoffte, dass er es in Schach halten konnte, bis er seine Arbeit beendet hatte.

14
    Freitag, 25. 7., 8.05 Uhr
    Der Helikopter landete mit Mona und Fischer an Bord, ohne Berghammer, der in einer Klinik in Marburg um sein Leben kämpfte. Sie waren noch in dem Krankenhaus gewesen, hatten versucht, ihn zu sehen, aber man hatte sie nicht auf die Intensivstation gelassen. Die letzte Nachricht der Dienst habenden Ärztin war, dass er im Koma liege und man zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht sagen könne, ob und wann er wieder aufwachen würde. Es sieht nicht sehr gut aus, hatte die Ärztin noch gesagt. Während des Flugs sprachen Mona und Fischer kein einziges Wort miteinander, obwohl sie sich über Kopfhörer hätten verständigen können. Es gab nichts zu sagen, sie hatten vorher alles besprochen. Mona schlief eine halbe Stunde lang, trotz des Lärms der Rotorblätter, in dem Wissen, dass es heute keine weitere Verschnaufpause geben würde.
    Zwei Streifenwagen warteten am Flugplatz, als sie mit steifen Gliedern und schmerzendem Nacken ausstiegen. Fischer stieg in den einen, Mona in den anderen. »Fahren Sie los«, sagte sie zu dem Schupo neben ihr. »Ich sag Ihnen dann schon, wohin es geht.« Aber der Schupo hörte nicht ihr zu, sondern dem Polizeifunk, der seine Nummer aufrief. Der Schupo gab seinen Namen und seine Position durch. Und dann hörte auch Mona, was passiert war.

15
    Freitag, 25. 7., 10.03 Uhr
    Roswitha Plessen lag in der Badewanne, und ihr Tod war nicht friedlich gewesen. Keine Überdosis diesmal, die sie hatte einschlafen lassen. Roswitha Plessen war erschossen worden, genauso wie die zu ihrer Bewachung abgestellten Polizisten. Zwei saßen tot in ihren Streifenwagen, einer lag vor dem Bad, mit aufgerissenen Augen, die blicklos an die Decke starrten. Plessen befand sich bereits im Krankenhaus, als Mona in seiner Villa eintraf. Sein Zustand, hatte es geheißen, sei kritisch, aber es bestehe, so der Notarzt, »etwas Hoffnung«.
    Bei vier Menschen bestand nicht die geringste Hoffnung mehr. POM Prasse, POM Dellbrück, POM Kratzer waren mit gezielten Kopfschüssen getötet worden, ebenso Roswitha Plessen. Der Tatort war ein Bild des Grauens. Ein altgedienter Streifenpolizist weinte, als er seine toten jungen Kollegen sah, von denen zwei Familie hatten und einer frisch verlobt war. Mona nahm ihn in den Arm, und er durchnässte ihr T-Shirt mit Tränen und Rotz. Mona fühlte sich so müde und schlapp wie noch nie in ihrem Leben, aber es würde noch lange dauern, bis sie sich ausruhen konnte.

16
    Freitag, 25. 7., 10.06 Uhr
    »Es ist was passiert«, sagte Clemens Kern von der OFA. Er beugte sich über die Leiche Roswitha Plessens. Der Täter hatte sie vollständig entkleidet (das weiße, blutige Nachthemd lag zusammengeknüllt auf dem Boden des Badezimmers), in ihren Unterleib hatte er das Wort S-T-I-L-L geritzt. Scham- und Genitalbereich waren mit zahlreichen aggressiven Stichen verunziert, die Zunge war herausgerissen. Der Täter hatte sie in die Hand der Toten gelegt.
    »Es ist was passiert«, wiederholte Kern.
    »Sehr witzig«, sagte Mona, die ihm über die Schulter sah.
    »Ach komm, Mona. Du weißt, was ich meine.« Kern stand auf, und Mona wich ein paar Schritte zurück, hinaus aus dem kleinen, von oben bis unten besudelten Bad. Obwohl es noch früh war, drang die Hitze eines neuen Sommertages bereits durch die offenen Fenster. Der Geruch des geronnenen Blutes war überwältigend – überwältigend schrecklich. Kern und Mona stellten sich in den Gang, Mona bot Kern eine Zigarette an, er gab ihr im Gegenzug Feuer. Sie lehnten sich nebeneinander an die in

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