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Damals warst du still

Titel: Damals warst du still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa von Bernuth
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standen. Eine einzige zuverlässige Augenzeugin würde sie einen Quantensprung nach vorne bringen.
    »Sie ist schon ewig bei den Plessens«, sagte Bauer und blätterte in seinen Notizen.
    »Was heißt ewig?«
    »Mindestens zehn Jahre, sie hat es selber nicht mehr genau gewusst. Als der Mord an Samuel Plessen und der an Sonja Martinez passierte, war sie in Urlaub. Bei ihrer Mutter in Russland«, fügte Bauer hinzu.
    »Aha«, sagte Mona. Also deshalb hatte keine Vernehmung einer Frau stattfinden können, die wahrscheinlich mehr über die Familie Plessen hätte sagen können, als es die einzelnen Mitglieder taten. Sie war nicht da gewesen. Und natürlich hatte Plessen nichts über ihre Existenz verlauten lassen – zu einem Zeitpunkt, an dem sie vielleicht noch einiges hätten verhindern können. Man hätte sie aus Russland einfliegen können, man hätte...
    Nichts davon war geschehen, weil Plessen sich nicht geäußert hatte.
    »Was hat sie gesagt?«, fragte Mona, ganz schwach vor Zorn über Plessen, der mit dem Tod kämpfte, dessen Familie nun komplett eliminiert war, und der der Einzige gewesen wäre, der diese Tragödie hätte verhindern können. Denn davon war sie überzeugt: dass es in Plessens Macht gelegen hätte, rechtzeitig einzugreifen. Er hätte nur die ganze Wahrheit sagen müssen. Über seine Schwester, seine Kindheit, seine Arbeit, seine Klienten, seine Forschungen, seine psychologischen Erkenntnisse. Auf diese Weise hätten sie ihn wahrscheinlich rechtzeitig gefunden: den verstörten Menschen, der das alles anrichten konnte, weil sie letztlich keine Ahnung hatten, was ihn antrieb und wie man ihn stoppen konnte.
    »Sie heißt irgend so was wie Olga Virmakowa«, berichtete Bauer.
    »Eine Russin?«
    »Ja, aus St. Petersburg. Dort lebt auch ihre Mutter. Ich schätze mal, sie ist illegal hier, also nur mit Touristenvisum. Deshalb hat sie die Polizei auch nicht verständigt.«
    »Okay. Und?«
    »Ich bin da zufällig reingeplatzt. Sie hatte sich... Na ja, sie saß auf dem Bett, als ob ihr schlecht wäre oder so.«
    »Wo ist sie jetzt?«, fragte Mona.
    »Einer von den Notärzten kümmert sich um sie.«
    »Das hast du veranlasst?«
    »Ja«, sagte Bauer, in einem Ton als wüsste er nicht ganz genau, ob das in Ordnung gewesen war oder nicht. »Du warst oben mit Clemens. Und da hab ich gedacht...«
    »Ist schon in Ordnung. Du kannst solche Entscheidungen treffen. Hast du vorher mit ihr...«
    »Ja.«
    »Was?«
    »Ich hab mit ihr geredet. Bevor der Arzt kam.«
    Mona sah ihn an. »Gut«, sagte sie nur. »Was hat sie gesagt?«
    »Sie war erst, na ja, sehr aufgeregt. Aber ich konnte sie beruhigen. Sie kann auch ganz gut deutsch.«
    »Gut, Patrick. Was hat sie gesagt?«
    »Sie ist letzten Abend früh schlafen gegangen, gegen neun. Sie hat ein Zimmer mit Bad und allem neben der Küche. Der Mörder hat das offenbar nicht gewusst. Deshalb hat er sie nicht gefunden.«
    »Und? Was ist passiert?«
    »Plessen und seine Frau haben gegen zehn gegessen und haben dann selber abgeräumt.«
    »War das normal? Haben sie das öfter gemacht?«
    »Ja. Aber Plessen hatte vorher einen Anruf bekommen, und der hat ihn sehr erschüttert, hat sie gesagt. Er sei ganz blass gewesen. Sie wusste aber nicht, wer es war, und er hat es ihr auch nicht gesagt.«
    »Berghammer wird ihn angerufen haben«, sagte Mona. »Wegen seiner Schwester.«
    »Kann schon sein. Jedenfalls war er sehr blass, sagt sie. Dann hat er sie ins Bett geschickt. Mitten in der Nacht, sie weiß nicht mehr, wann, ist sie aufgewacht von einem Geräusch, das sich angehört hat wie ein Schuss. Anschließend hat sie einen Schrei gehört und Getrappel über dem Kopf. Dann ist sie aufgestanden und hat sich nach oben geschlichen. Sie hat sich ein Messer aus der Küche genommen und ist die Treppe hoch, und dort hat sie den Täter gesehen. Er hat geschossen. Sie hat gesehen, wie er den Schupo erschossen hat, der zu Roswitha Plessens persönlichem Schutz abgestellt gewesen war. Es war vor dem Bad.«
    »Hat sie sein Gesicht gesehen? Das von dem Täter?«
    »Nicht so richtig. Aber es war ein junger Mann, da ist sie sich sicher. Ein schlanker, kräftiger junger Mann.«
    »Haarfarbe, Größe? Oder war es zu dunkel?«
    Patrick sah bedauernd von seinen Notizen auf. »Nein, es war ganz hell, richtige Festbeleuchtung, hat sie gesagt. Aber sie hat Angst gehabt. Sie hat ihn nicht deutlich gesehen, weil sie zu viel Angst hatte. Schlank, kurze blonde Haare, mehr weiß sie nicht.«
    Mona erinnerte sich

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