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Damals warst du still

Titel: Damals warst du still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa von Bernuth
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gesehen, nichts gehört. Das Übliche in diesem Fall. Allerdings haben zwei gefehlt. Und drei waren heute früh nicht da.«
    Mona horchte auf. »Wer?«, fragte sie.
    »Die Teilnehmer wussten nur die Vornamen, aber ich hab die Teilnehmerliste gefunden. Einer heißt Helmut Schwacke, die andere Sabine Frost, der dritte David Gerulaitis. Das ist derjenige, der heute früh nicht gekommen ist. Hier sind die Unterlagen.« Fischer schwenkte ein DIN-A4-Blatt, wahrscheinlich die Liste.
    »Komisch«, sagte Mona. »Heute wäre der letzte Tag des Seminars gewesen. Stimmt doch, oder?«
    »Es hat gestern so eine Art Streit oder was gegeben«, sagte Fischer. Er blätterte in seinem Block. »Jedenfalls ist diese Sabine Frost gestern Mittag einfach abgehauen. Heulend, sagen die anderen. Plessen hat sie wohl als so eine Art Flittchen hingestellt.«
    »Aha.«
    »Und dieser Helmut Schwacke ist einfach nicht mehr gekommen, schon gestern nicht mehr. David Gerulaitis war bis gestern Abend da.«
    »Die ganze Zeit?«, fragte Mona möglichst beiläufig.
    »Wie die ganze Zeit?«
    »Dieser David soundso. War der die ganze Zeit da? Außer heute früh?« Sie sah beklommen, wie Fischer ein Licht aufging. Er studierte die Teilnehmerliste. »Dieser David – sag mal, irgendwie kommt mir dieser Name doch verdammt bekannt vor.«
    Irgendwann musste er es sowieso erfahren. »Da könntest du Recht haben.«
    Fischer fläzte sich in den Stuhl und starrte Mona von unten herauf an. »Das war doch der, der die erste Leiche gefunden hat. Der verdeckte Ermittler.«
    »Stimmt«, sagte Mona.
    Fischer dachte nach, wälzte in seinem müden Hirn die Fakten hin und her. »Du hast ihn undercover hergeschickt?«
    »Richtig.«
    »Er sollte das Seminar mitmachen und mal sehen, ob der Mörder dabei ist?«
    »Ja.«
    Fischer sagte nichts darauf.
    »Könnte sein«, sagte Mona langsam, »dass er flüchtig ist.«
    »Was?«
    »Ich kann ihn seit gestern nicht mehr erreichen.«
    »Was heißt das?«
    »Du hast mich schon gehört. Wenn er das Seminar jeden Tag von morgens bis abends mitgemacht hat, hat er zumindest für den Mord an Helga Kayser ein Alibi. Hat er das?«
    »Warum hast du mir nichts gesagt? Vor der Vernehmung von den Leuten? Du hast mich voll ins offene Messer laufen lassen.«
    »Fang nicht wieder mit diesem Blödsinn an, Hans. Ich habe das Recht so was zu tun, auch ohne dass du mir dein Okay gibst. Klar?«
    »Mona...«
    »War Gerulaitis gestern hier, also zum Zeitpunkt, als Helga Kayser ermordet wurde, oder nicht?«
    Fischer senkte den Kopf, zu müde, um die Sache mit seiner üblichen Kampflust weiter zu verfolgen. »Er war da«, sagte er schließlich. »Die ganze Zeit. Alle waren gestern da, außer diesem Helmut Schwacke. Und dieser Sabine Frost, die mittags abgehauen ist.«
    »Trotzdem«, sagte Mona. »Irgendwas stimmt da nicht. Ich kann Gerulaitis seit gestern Morgen nicht mehr erreichen. Sein Handy hat keinen Empfang, auf dem Festnetz läuft immer nur der Anrufbeantworter. Seine Frau scheint auch nie da zu sein. Ich versteh das nicht.«
    »Vielleicht ist ihm was passiert.«
    »So oder so«, sagte Mona. »Ich werd ihn zur Fahndung ausschreiben.«

18
    1989
    Nach seinem ersten Mord machte der Junge eine Pause von mehreren Monaten. Nicht etwa, weil er ein schlechtes Gewissen hatte – mittlerweile wusste er, dass es seine Bestimmung war zu töten, und verbot sich, über diese Tatsache länger nachzudenken -, sondern weil die Befriedigung über seine Tat derart tief ging, dass sie viel länger anhielt als nach seinen kindlichen Tierspielchen.
    Ein für seine Verhältnisse recht unbeschwerter Sommer kam, in dem er zu seiner eigenen Überraschung einigen seiner Schulkameraden näher kam. Darunter war ein Mädchen – nicht Bena -, die sich offensichtlich für ihn interessierte. Er fand sie nicht sonderlich anziehend, aber auch nicht komplett unattraktiv – sie war ihm sympathisch genug, um sich ihrer Gruppe, bestehend aus zwei weiteren Mädchen und zwei Jungs in seinem Alter, anzuschließen. Sie nannten sich fortan die Sechser-Gang und unternahmen die üblichen Dinge – nachts schwimmen, rauchen, sich betrinken, reihum knutschen. Dem Jungen lag nicht wirklich etwas an diesen Aktivitäten, aber wenn das der Preis war, um eine Weile irgendwo dazuzugehören, zahlte er ihn nicht ungern. Es war immerhin eine Abwechslung. Das Mädchen, sie hieß Renate, schien sexuell relativ erfahren zu sein. Sie erzählte häufig von ihren Abenteuern mit älteren Männern und den

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