Damals warst du still
hätte sie sich eigentlich jeden neuen Tag freuen müssen, den sie sich in dieser Hinsicht keine Sorgen mehr zu machen brauchte.
Aber im Moment schaffte sie das nicht.
»Wann kommt Anton wieder?«, fragte sie bemüht ruhig und cool. Sie weigerte sich, Anton vor Lukas Papa (oder gar Pap) zu nennen. Es war vielleicht nicht ganz fair gegenüber Anton, aber sie konnte nicht anders. Etwas in ihr wehrte sich nach wie vor gegen dieses Familiengedöns , dachte sie. Etwas daran kam ihr falsch vor. Als sei alles nur ein Spiel, das sich Anton ausgedacht hatte. Als sei in Wirklichkeit sie die einzige Erwachsene in dieser Dreierkonstellation. Als hätte sie mittlerweile nicht mehr nur einen, sondern gleich zwei halbwüchsige Söhne, die beide gleichermaßen verantwortungslos dachten und handelten. Nur dass so ein Verhalten bei Lukas altersgemäß und verzeihlich war und bei Anton alles andere als das.
»Wann kommt er wieder?«, fragte sie ein zweites Mal, da Lukas nicht geantwortet hatte. Lukas sah sie mürrisch an und sagte nichts.
»Lukas!«
»Weiß nicht.«
»Wo ist er hin? Und lümmel dich nicht so auf den Tisch! Sieht scheiße aus.«
»Weiß nicht.«
Und falls es stimmte, war das sicher besser so.
Als Anton zwei Stunden später kam, hatte Mona sich bereits beruhigt. Sie saß allein auf der nun völlig dunklen Dachterrasse, über sich den wolkenlosen Sternenhimmel, neben sich ein Glas Rotwein, und rauchte ihre zehnte Zigarette des Tages, als innen das Licht anging und seinen Schein auf die grauen Holzbohlen der Terrasse warf. Sie drehte sich nicht um, sondern wartete, bis Anton sie von hinten umarmte. Mittlerweile war Mona so erschöpft, dass sie sich nicht wehrte (nicht zickte, wie es Anton ausgedrückt hätte), sondern seine Hand nahm und sie gegen ihre Wange drückte.
»Wo warst du?«
»Vanicek. Es gibt ein paar Probleme.«
Mona schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Der Stadtverkehr, hier nur als gleichmäßiges Brummen wahrnehmbar, lullte sie ein – und auch wieder nicht. Vanicek war Antons Handlanger für alle möglichen Dinge, von denen sie nichts wissen wollte, die sie aber vermutlich nicht bis in alle Ewigkeit von sich wegschieben konnte. Aber es war zu warm, um zu streiten.
»Lukas saß hier allein rum.« Ganz konnte sie es doch nicht lassen.
»Ich bin um sieben gegangen. Er ist doch kein Baby mehr .« Ich bin doch kein Baby mehr! Mona seufzte. Anton nahm sich einen Stuhl und setzte sich dicht neben sie. Sie roch sein Aftershave und noch etwas anderes, Undefinierbares – etwas, das gute Gefühle weckte und gleichzeitig melancholisch machte, als sei der Eindruck von Vergänglichkeit zwingender Bestandteil davon.
Mona lächelte in die Dunkelheit. »Wir sind schon ein Paar, oder?« Das war eigentlich harmlos gemeint, aber die Spitze war doch hörbar, und plötzlich spürte sie einen schwachen, aber gleichwohl existenten Anklang an ihre frühere Wut: auf Anton, auf seine Unberechenbarkeit und seinen Unwillen, sich anderen Vorstellungen zu beugen als den seinen. Anton vergrub sein Gesicht in ihrem Haar. Sie spürte seinen Atem auf ihrem Nacken. Er sagte nichts. Er hasste diese Art von Gesprächen, die seiner Ansicht nach zu nichts führten und nur schlechte Stimmung verbreiteten.
»Bist du müde?«, fragte er.
»Nein.«
»Ach komm schon. Sei müde!«
»Nein!« Aber sie musste doch grinsen, als er seine Hand unter ihrem T-Shirt verschwinden ließ. »Hör auf«, sagte sie.
»Tu doch nicht so.«
»Nein, ehrlich. Hör auf.«
»Ja, ja. Gleich.«
11
Dienstag, 15. 7., 22.10 Uhr
David Gerulaitis hatte Fieber. Nachdem er bei Janosch und anschließend bei seiner Dienststelle angerufen und sich endgültig krankgemeldet hatte, legte er sich ins Bett. Sandy machte ihm einen Kräutertee, der schrecklich schmeckte, aber David würgte ihn hinunter, weil Sandy neben ihm auf der Bettkante saß und er sie nicht ärgern wollte, wenn sie schon mal lieb und guter Laune war.
Das Baby hatte den ganzen Tag geschrien, aber Sandy hatte trotz der Hitze nur sehr kurz und nur zum Einkaufen mit Debbie die Wohnung verlassen. David sagte es nicht, aber seiner Ansicht nach war das der Grund, weshalb er abends krank geworden war: weil er nach der ewig langen Nacht davor nicht einmal tagsüber hatte schlafen können wegen der stundenlangen Schreierei. Er hätte Sandy gern gebeten, mit Debbie zum Schwimmen oder sonstwohin zu gehen, aber er wusste ganz genau, was dann passiert wäre.
Es ist auch dein Kind! Geh du
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