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Damals warst du still

Titel: Damals warst du still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa von Bernuth
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Gewalt auszuüben. Für den gehört das doch zum Spiel.«
    »Schon«, sagte Kern. »Aber in diesem Fall... Ich meine, Gewaltbereitschaft baut sich bei dieser Sorte Tätern auf. Ganz langsam und allmählich. Verstehst du?« Sein Gesicht belebte sich, ganz offensichtlich befand er sich auf sicherem Terrain.
    »Ja«, sagte Mona. »Aber...«
    »Ich würde sagen, er fängt gerade an, sich mit der Materie vertraut zu machen. Da ist die Droge ein ganz gutes Mittel, um jemanden wehrlos zu machen. Man muss selber nicht aktiv werden, aber man kann sich mental schon mal darauf vorbereiten.«
    »Er fängt an?« schaltete sich Berghammer ein. Seine Stimme klang alarmiert.
    »Ja«, sagte Kern. »Seine Opfer sterben. Er schaut ihnen dabei zu und registriert erst mal, wie es ihm dabei geht. Ich denke, noch sieht er sich selber nicht als Mörder.«
    »Sondern?«, fragte Mona verblüfft.
    »Er ist ja nicht direkt aktiv, wie gesagt. Gut, bei der Frau wissen wir das nicht genau. Wir können aber doch davon ausgehen, dass er ihr ebenfalls eine tödliche Dosis Heroin gespritzt hat. Aber eine tödliche Spritze geben ist noch nicht dasselbe wie zum Beispiel jemanden mit den eigenen Händen zu erdrosseln.«
    »Aber doch so gut wie«, sagte Fischer, der aussah, als würde er gleich platzen. Er stand auf und ging in Richtung Toiletten, wobei er mehrere Stühle anstieß. Mona sah ihm gedankenvoll nach.
    »Nein«, sagte Kern zu dem sich entfernenden Rücken Fischers. Dann wandte er sich Mona und Berghammer zu. Sein Blick war jetzt fest und stabil. »Das ist nicht dasselbe. Es ist sozusagen Töten light. Die schärfere Version ist schon das Verletzen der Haut. Das Einritzen der Haut – damit übt er sich.«
    »Für später«, sagte Mona nachdenklich. »Wenn er mal richtig rangeht.«
    »Das heißt nicht, dass er nicht schon durch Gewaltdelikte aufgefallen ist.«
    »Nicht?«, fragte Mona erstaunt.
    »Verletzungen, Vergewaltigungen. Das kann alles bereits vorgefallen sein. Aber er hat wahrscheinlich noch niemanden getötet. Vor den beiden Taten, meine ich. Er fängt jetzt an.«
    »Er fängt an?«
    »Und er wird weitermachen«, sagte Kern. »Ich denke, bei der nächsten Leiche wird er vielleicht schon keine Drogen mehr brauchen als Zwischenschritt. Er wird richtig zustechen und auf diese Weise töten. Die Verstümmelungen werden zunehmen. So könnte ich mir den weiteren Verlauf vorstellen.«
    »Was ist mit den Buchstaben?«, fragte Berghammer neben Mona schwer atmend. Das Bier war fast ausgetrunken.
    »Ich weiß gar nicht, ob die wirklich so eine Rolle spielen. Wie gesagt, im Moment schafft sich der Täter so eine Art Alibi für sich selbst. Da haben die Buchstaben als Botschaft natürlich schon..., also da könnte sich durchaus ein Hinweis auf den Täter und sein Verhältnis zu diesem Therapeuten verbergen. Aber eigentlich geht es ums Töten an sich.«
    »Wie stellst du ihn dir vor?«, fragte Mona. Ihr war leicht übel – von der verrauchten Luft, von dem Geruch nach Essen und Bier, von der Pizza, die nicht besonders geschmeckt hatte.
    »Er ist jung, aber nicht ganz jung«, sagte Kern prompt, als hätte er schon lange auf die Frage gewartet. »Er stellt sich schon ziemlich geschickt an. Er ist unauffällig. Er hat wenige Kontakte, gilt als Einzelgänger. Vielleicht lebt er sogar noch bei seinen Eltern. Vielleicht Mitte, Ende zwanzig. Vielleicht etwas älter.«
    »Also gut, wir schauen nach den jungen, aber nicht ganz jungen Klienten. Männlich.«
    »Ich denke, das wäre gut.«
    »Und sonst?«
    »Er hat vielleicht schon ein paar Tiere erledigt und ausgeweidet. Viele fangen so an. Aber Menschen – das ist eine andere Geschichte, das macht sich nicht von jetzt auf gleich. Gewaltdelikte ja, Mord nein. Mord hat eine andere Qualität. Aber es gefällt ihm. Ich weiß nicht, er sucht etwas. Unter der Haut, sozusagen. Es ist eine Art Doktorspiel.«
    »Jung«, sagte Mona. »Und? Siehst du was Sexuelles? Ich meine, normalerweise haben diese Typen doch eine bestimmte Sorte Frau vor Augen. Aber er bringt einen sechzehnjährigen Jungen um und danach eine dreiundvierzigjährige Frau. Das passt doch nicht.«
    »Die Verstümmelungen«, sagte Kern. »Beziehungsweise das Einritzen der Buchstaben. Das hat ganz klar eine sexuelle Relevanz, selbst wenn kein Missbrauch stattgefunden hat. Hat doch nicht, oder?«
    »Sah nicht so aus«, sagte Berghammer.
    »Spermaspuren an den Leichen?«
    »Nein. Nichts in der Richtung.«
    »Vielleicht kommt das noch. Wenn er sich

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