Damals warst du still
sicherer fühlt.«
»Aber die Buchstaben im Unterleib der Frau...«
»Ja. Der Täter reißt sich noch sehr zusammen. Wie gesagt, beim nächsten oder übernächsten Opfer werdet ihr nicht mehr nur Buchstaben sehen. Da geht’s dann richtig zur Sache.«
»Das nächste oder übernächste Opfer«, sagte Mona, »darf es nicht geben.« Sie holte tief Luft. Kern sagte nichts.
»Clemens! Wir müssen das verhindern. Er darf nicht...«
Kern sah sie zum ersten Mal direkt an, und Mona verstummte. Sie schloss kurz die Augen, und versuchte, die Horrorvision eines entfesselten Täters abzuschütteln – und den Geruch von altem Rauch und verkochtem Essen. Das nächste Mal würde sie darauf bestehen, in ein helles, freundliches Café zu gehen, wo man draußen sitzen konnte, und …
Kern unterbrach ihre Gedanken. »Er sieht das ganze wie eine Art – na, eben Serie. Fortsetzung folgt, verstehst du? Er hat alles recht gut geplant. Er blieb bei den Opfern, hat sich die Zeit genommen, diese Buchstaben einzuritzen – er hat sich das alles schön ausgedacht. Er ist also kein Idiot und auch nicht verrückt.«
»Er ist intelligent?«, fragte Berghammer.
»Wahrscheinlich. Er hatte beide Situationen super unter Kontrolle. Ihm ist kein Fehler passiert. Das heißt eben auch, er kann auf keinen Fall ganz jung sein. So ab fünfundzwanzig, denke ich.«
»Und Plessen?«, fragte Mona.
»Ich könnte mir tatsächlich vorstellen, dass der Mörder ein Klient von ihm war. Und auch, dass er das Seminar bei ihm wiederholt.«
»Jetzt?«, fragte Mona ungläubig. »Ich meine, damit macht er sich doch verdächtig, das muss er doch wissen.«
»Er weiß das. Aber vielleicht gehört es zum Spiel – seinem Spiel. Vielleicht gefällt ihm gerade das – die Gefahr.«
»Was will er erreichen?«
»Er will töten«, sagte Kern langsam. »Auf seine Weise. Es verschafft ihm Lust. Aber er will auch Aufmerksamkeit. Er will wahrgenommen werden. Und er will sich selber spüren. Er braucht diese Reize.«
»Ist er – verheiratet? Kinder?«
»Vielleicht ist er verheiratet, vielleicht hat er kleine Kinder. Ich glaub es zwar nicht, aber möglich ist es schon. Einige von diesen Typen führen ein total unauffälliges Leben mit normalem Beruf, Familie, allem, was dazugehört. Aber ihr wisst ja: Drei von vier Serientätern sind in der Vergangenheit durch abnormes Verhalten aufgefallen. Darauf müsst ihr achten. Auf das, was gewesen ist.«
»Da gibt’s doch dieses internationale Computersystem«, sagte Mona.
»ViCLAS. Ich bin schon reingegangen, die Taten sind ja ziemlich speziell.«
»Hast du was gefunden? Übereinstimmungen?«
»Nichts bis jetzt, auch nicht international. Es gab Ende der Achtzigerjahre einen in Kanada, der hat auch die Haut seiner Opfer geritzt. Allerdings nicht postmortal, und es waren auch keine Buchstaben, sondern so eine Art Hexenzeichen. Aber der sitzt seit zwölf Jahren.«
»Verdammt«, sagte Mona zu niemandem Bestimmten. Jenseits der mit gerüschten Stores verhängten Fenster war ein leises Donnern zu hören. Vielleicht kam es vom Himmel, wahrscheinlicher von einem Schwertransporter.
28
Donnerstag, 17. 7., 16.48 Uhr
»Ich würde gern jemanden einschleusen«, sagte Mona eine halbe Stunde nachdem sie sich von Kern getrennt hatten in Berghammers Büro, das in einen betonierten Innenhof hinausging und deshalb vergleichsweise ruhig war. Draußen wurde es trotz der Tageszeit so dunkel, dass Berghammer das Licht einschaltete. Wahrscheinlich würde es ein Gewitter geben, und aus wäre es mit der Schönwetterperiode, die für hiesige Breiten schon viel zu lang dauerte.
»Setz dich bitte hin«, sagte Berghammer hinter seinem Schreibtisch. Seine Stimme klang irritiert. Mona hielt inne, weil sie registrierte, dass sie in den letzten Sekunden wie eine Irre im Zimmer hin und her gelaufen war. Folgsam nahm sie sich einen Stuhl und setzte sich rittlings darauf, die Lehne zwischen die Beine geklemmt. Nach dem langen Gespräch mit Kern war sie nervös und voller Tatendrang. Außerdem musste die fette Pizza abgearbeitet werden.
»Ich will jemanden bei Plessen einschleusen. Einen von uns. Er soll einen dieser Seminarzyklen mitmachen«, sagte sie. »Was hältst du davon?«
Berghammer überlegte. Das gekippte Fenster zum Hof knallte mit einem Ruck zu, und Mona hörte das Pfeifen eines plötzlichen Windstoßes. »Es geht los«, sagte sie nachdenklich. Berghammer reagierte nicht darauf.
»Wen?«, fragte er schließlich.
»Ich weiß noch nicht.« Mona
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