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Damals warst du still

Titel: Damals warst du still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa von Bernuth
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Mona. »Seinen Vornamen hat er mir aber nicht genannt. Deshalb meine Frage.«
    Der Direktor erwiderte nichts darauf. Irgendwie passte er in diese Anstalt.
    »Seit wann ist Herr Lachenmeier bei Ihnen?«, versuchte es Mona ein zweites Mal. Der Direktor, sichtlich aus dem Konzept gebracht, sah sie einen Moment lang ratlos an. Dann erhob er sich und ging zu einem Aktenschrank. Nach etwas Geraschel holte er eine braune Aktenmappe heraus und legte sie vor Mona hin. »Ich nehme an, die wollen Sie mitnehmen.«
    »Ja«, sagte Mona, überrascht, dass das so schnell und unproblematisch ging. Der Mappe war ziemlich dick. Mona öffnete sie und zog die erste Seite einer unfangreichen Loseblattsammlung heraus. Sie kannte das Blatt von ihrer Mutter: Es war ein Einlieferungsformular. Demzufolge war Lachenmeier seit einem knappen Vierteljahr Patient in der Klinik. Sie überflog rasch das Formular. Patient glaubt, sein verstorbener Großvater sei wieder am Leben und verfolge ihn mit dem Ziel, ihn zu vergiften.
    Patient zeigt sich hochgradig erregt, als man ihm ein Glas Wasser hinstellt, weil er glaubt, der Geist des Großvaters befinde sich in diesem Wasser.
    »Wie geht es ihm jetzt?«, fragte Mona.
    »Das können Sie gleich Dr. Baum fragen. Er ist der behandelnde...«
    »Ja, das habe ich jetzt verstanden. Aber Sie sind hier der Chef. Sie müssen solche Informationen schließlich auch haben. Und wir haben nicht den ganzen Tag Zeit. Also, wie geht es ihm jetzt?«
    Der Direktor senkte die Augen. »Er macht Fortschritte«, sagte er schließlich.
    In diesem Moment betrat ein Mann das Büro, der viel zu jung für einen Arzt aussah, aber sich als Dr. Baum vorstellte. Mona atmete auf.

4
    Montag, 21. 7., 12.23 Uhr
    Dr. Baum brachte sie in sein Büro, das noch kleiner und dunkler war als das seines Chefs und dazu heiß und stickig. Immerhin hatte er ein paar Topfpflanzen aufgestellt. Eine davon hatte riesige pinkfarbene Blüten, ähnlich wie ein Oleander.
    »Also«, fragte er, nachdem er ein Fenster geöffnet hatte und sie sich gesetzt hatten. »Was wollen Sie wissen, bevor wir den Patienten holen?«
    »Wie geht es ihm jetzt?«, fragte Mona. »Ist er...«
    »Ansprechbar? Tja, das kommt drauf an. Wir haben ihn schon eingehend über dieses Seminar bei diesem...«
    »Plessen. Fabian Plessen.«
    »Richtig. Wir haben Fritz natürlich dazu befragt. Sie finden die Zusammenfassung der Gesprächsprotokolle in seiner Akte. Aber zu dem Thema kommt nicht viel. Ich glaube, nicht so sehr das Seminar war traumatisch, sondern das, was es auslöste. Da ging es offenbar um seinen Großvater...«
    »... vor dem er Angst hat?«
    Dr. Baum zuckte die Schultern. Er hatte ein offenes, freundliches Gesicht mit sehr jungen Augen. »Seit der Sache, behauptet seine Frau, hat Fritz plötzlich diese paranoiden Wahnvorstellungen, sein Großvater wollte ihm, quasi aus dem Grab, was antun. Seine Frau sagt, vorher war er relativ normal. Ein sehr vorsichtiger Mann, manchmal zwanghaft. Aber doch mehr oder weniger normal.«
    »Glauben Sie das?«
    »Ja, warum nicht? Fritz ist dreiundvierzig. Es passiert schon mal, dass ein vorher seelisch einigermaßen gesunder Mann einen Schub bekommt. Aus mehr oder weniger heiterem Himmel. Es ist nicht gerade häufig, aber es kommt vor. Im Allgemeinen sind diese Schübe aber dann kürzer. Fritz besteht seit drei Monaten darauf, dass sein Großvater ihn heimsucht und ihm droht.«
    »Sie glauben, da war vorher schon was? Er war vorher schon krank?«
    »Nicht unbedingt. Sehen Sie, manche Therapien sind einfach nicht für jeden Menschen geeignet. Viele Therapeuten, na ja, sie tun so, als sei es in jedem Fall eine Befreiung, mehr über sich oder seine Familie zu wissen. Aber manche Patienten überfordert das, vor allem wenn es nach der Therapie niemanden gibt, der sie auffängt. Soweit ich das Konzept Plessens kenne, führt er keine individuelle Nachbehandlung durch. Seine Klienten sind anschließend ganz auf sich allein gestellt. Ich halte das für gefährlich.«
    »Verstehe«, sagte Mona. Sie sah auf die Uhr. »Können wir jetzt mit dem Patienten sprechen?«
    Dr. Baum stand auf. »Sicher, ich lasse ihn herbringen. Wollen Sie was trinken? Kaffee, Tee, Wasser?«
    »Wasser«, sagten Mona und Bauer wie aus einem Mund. »Möglichst kalt«, fügte Mona hinzu.

5
    Montag, 21. 7., 12.26 Uhr
    Fritz Lachenmeier war ein mittelgroßer, schwerer Mann mit dickem, wahrscheinlich von Medikamenten aufgeschwemmtem Gesicht. Kaum hatte er sich hingesetzt, fasste er

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