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Damals warst du still

Titel: Damals warst du still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa von Bernuth
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mit einer ungeschickten, aber völlig selbstverständlichen Bewegung in Dr. Baums Kitteltasche und holte ein grünes Einwegfeuerzeug heraus. Damit zündete er sich eine Zigarette an und hielt anschließend Mona und Bauer die Schachtel hin. Mona nahm eine Zigarette und ließ sich von Lachenmeier Feuer geben. Sie ergriff sein Handgelenk, als sie sah, dass es ihm sein Tremor unmöglich machte, das Feuerzeug ruhig zu halten (auch ihre Mutter rauchte wie verrückt, sobald sie einigermaßen auf dem Posten war, und auch ihre Hände zitterten ständig wegen der Medikamente).
    Lachenmeier sah sie dankbar an. Sie fing einen nachdenklichen Blick von Dr. Baum auf und wandte sich sofort ab.
    »Wissen Sie, wer wir sind?«, fragte sie Lachenmeier.
    »Polizei«, sagte Lachenmeier sofort. Seine Stimme war dunkel und kehlig, seine Aussprache undeutlich. Er begann, leicht hin und her zu schaukeln. Mona erkannte, dass es ziemlich schnell gehen musste. Lange würde er sich nicht konzentrieren können.
    »Können Sie sich an Fabian Plessen erinnern?«
    Das Schaukeln wurde stärker. Aber immerhin antwortete er: »Ja.«
    »Wie war die Behandlung? Fanden Sie sie gut?«
    »Ja.«
    »Wie gut? Was hat Herr Plessen gemacht?«
    Eine Pause entstand; Lachenmeier hörte auf zu schaukeln und schien angespannt auf etwas zu lauschen. »Er hat immer Recht«, sagte er schließlich. »Widerspruch zwecklos.« Letzteres klang beinahe ironisch, so als wollte er jemanden nachmachen.
    »Wer hat das gesagt?«, mischte sich Bauer ein. Lachenmeier sah ihn verständnislos an.
    »Widerspruch zwecklos«, zitierte Bauer. »Hat das Plessen zu Ihnen gesagt? Oder zu jemandem anders?«
    »Nicht gesagt. Gemacht. So lange geredet, bis man alles geglaubt hat. Dann hat man es nicht mehr rausgekriegt. Aus dem Kopf. Dann war es drin.«
    »Was ist denn drin in Ihrem Kopf?«, fragte Mona behutsam.
    Lachenmeier hob die Hände und legte sie an seine Ohren. Er begann wieder zu schaukeln, vor, zurück, vor, zurück.
    »Herr Lachenmeier? Was ist in Ihrem Kopf?«
    »Mein Großvater. Er ist wieder lebendig. Fabian, er hat ihn lebendig gemacht. Jetzt will er nicht mehr ins Grab zurück. Versteht man ja.« Lachenmeier begann hastig zu kichern. »Er macht mir Angst«, sagte er plötzlich.
    »Wer? Der Großvater?«
    »Er. Und alle anderen. Da kommen ja noch viel mehr.«
    »Noch mehr? Wer kann das denn sein?«
    »Die Kameraden. Harte Jungs. Machen keine Faxen.«
    »Was für Kameraden?«, fragte Mona, doch in derselben Sekunde ging ihr ein Licht auf. Sie rechnete zurück – die Zeit stimmte. Lachenmeiers Blicke flogen im Zimmer herum, er begann hektisch ein- und auszuatmen, auf seiner Oberlippe erschienen Schweißtropfen. Dr. Baum legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm, griff aber nicht ein. »Die Kameraden von Ihrem Großvater«, sagte Mona hartnäckig. »Waren die vielleicht von der SS?«
    »Nein!«
    »SA? Gestapo?«
    »Nein! Nein!« Aber Lachenmeier schien nun kaum noch zu bändigen. Er bekann zu keuchen, tief, heiser und verzweifelt. Mona sah Dr. Baum an, der die Arme um seinen Patienten legte und den schweren Mann wiegte wie ein kleines Kind. »Fabian Plessen », sagte Mona, entschlossen, das Maximum an Informationen aus diesem Mann herauszuholen, bevor er endgültig wieder in seine Wahnwelt abtauchte.
    »Ich hasse ihn!« Die Worte kamen undeutlich aber doch verständlich genug.
    »Wen hassen Sie? Fabian Plessen?« Mona beugte sich vor, versuchte, seinen unsteten Blick einzufangen. Lachenmeier sah an die Decke und schien dort ein Muster auszumachen. »Ich war ein glücklicher Mensch, bevor Fabian das Grab aufgemacht hat in meinem Kopf«, sagte er schließlich.
    »Haben Sie Angst vor Fabian?«
    »Vor seinen Freunden.«
    »Freunde? Wer soll das sein?« Aber im selben Augenblick fielen Mona die fünf Menschen ein, die anwesend waren, als sie und Bauer die Plessens in ihrem Haus vernommen hatten.
    »Fabian hat Freunde. Die rufen an und schimpfen.«
    »Wie? Was sagen die denn, wenn sie schimpfen.«
    »Die wollen keine Kritik.« Und das sollte sein letzter klarer Satz für heute gewesen sein.
    »Keine Kritik? Haben Sie Fabian kritisiert?«
    Ein ängstlicher Blick von unten herauf: »Nein!«
    »Aber seine Freunde haben Sie angerufen?«
    »Nein! Nein, nein!«
    Mona versuchte es anders. »Wenn Sie glücklich waren, bevor Sie Fabian konsultiert haben, was war dann der Sinn und Zweck des Ganzen? Warum haben Sie an seinem Seminar teilgenommen?«
    Lachenmeier begann leise, ja beinahe lautlos zu

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