Damals warst du still
dann, wenn Mona voraussichtlich aus Lemberg zurück sein würde.
»Glaubst du, der bringt was?«, fragte er Mona im Lärm des allgemeinen Stühlerückens.
»Wer soll was bringen?«
»Der Patient von Plessen in der Klapsmühle.«
Mona zuckte die Schultern. »Wir müssen alles versuchen. Vielleicht ist die Fahrt umsonst, aber ich kann den Mann nicht einfach nur anrufen. Wenn ich ihn anrufe, sagt er vielleicht gar nichts oder irgendwas Verrücktes. Außerdem muss ein Arzt dabei sein.«
»Viel Glück«, sagte Berghammer und tätschelte ihr unbeholfen die Schulter. Mona lächelte, obwohl Berghammers Hand, wie so oft in diesem Sommer, schweißnass war und ihr T-Shirt sowieso schon an ihr klebte. Als sie in Bauers Richtung ging, der schon an der Tür stand, schnitt ihr plötzlich Fischer den Weg ab. Sie blieb stehen, überrascht. »Was ist?«, fragte sie unwillig.
»Wieso nimmst du eigentlich das Mädchen mit? Wollt ihr Mädchengespräche führen? Wie man sich am besten schminkt oder so?«
Mona brauchte einen Moment lang, bis sie verstand, wen Fischer mit »das Mädchen« meinte. Sie sah ihn fassungslos an. »Sag mal«, rief sie laut in sein zorniges Gesicht, »was ist eigentlich dein Problem?«
Fischer starrte sie mit zusammengebissenen Zähnen an. Er antwortete nicht. Es war ihm egal, dass Kollegen mittlerweile aufmerksam wurden, sie aus den Augenwinkeln beobachteten, während sie ihre Unterlagen verstauten.
»Ich glaube«, sagte Mona langsam und in derselben Lautstärke, »du bist irgendwie krank. Du benimmst dich wie nicht mehr ganz gescheit. Ich versteh dich nicht. Was ist los mit dir?«
Fischer öffnete den Mund, und Mona legte ihm in derselben Sekunde leicht die Hand darauf. Es geschah ganz spontan, sie hatte es nicht geplant. Es geschah aus dem Gefühl heraus, dass es jetzt genug war. Sie hatte zu lange darüber hinweggesehen, dass Fischer Stimmung gegen sie machte, wann und wo er nur konnte. Es gab keinen Grund dafür, jedenfalls keinen nachvollziehbaren. Sie machte nichts falsch, sie versuchte zu allen fair zu sein, auch zu ihm. Fischer war es, der etwas falsch machte.
»Reiß dich endlich zusammen«, sagte Mona, und die Worte schienen in ihrem Mund regelrecht zu explodieren; es war wie eine Befreiung, Fischer endlich so Kontra zu geben, wie er es verdiente. Sie nahm ihre Hand weg und genoss den Blick in sein vor Verblüffung geradezu dummes Gesicht. »Reiß dich zusammen, Hans. Sonst wirst du bei mir nicht alt.«
2
Montag, 21. 7., 11.13 Uhr
»Was hat Hans gesagt?«, erkundigte sich Bauer, als sie in Monas Wagen saßen und in nördlicher Richtung stadtauswärts fuhren.
»Nichts Wichtiges«, sagte Mona abweisend.
»Das hat aber anders ausgesehen.«
»Patrick. Die Sache geht dich nichts an.«
Eine kleine Pause trat ein. Bauer schien nachzudenken. Hoffentlich über den Fall und nicht über dieses Thema, denn Mona würde nicht mit ihm darüber reden. Nicht mit ihm und auch sonst mit niemandem. Fischer war ein Problem, das sie allein lösen musste.
»Hans bewundert dich. Das kann er nicht aushalten«, sagte Bauer plötzlich. Mona sah ihn bass erstaunt von der Seite an. Bauer duckte sich in den Beifahrersitz, als wollte er sich vor ihr verstecken.
»Wie meinst du das?«, fragte Mona schließlich und richtete den Blick wieder auf die Straße.
Bauer sagte nichts. Wahrscheinlich aus Angst, zu weit gegangen zu sein. Mona schloss genervt die Augen. »Patrick! Ich will wissen, wie du das meinst. Du brauchst keine Angst zu haben. Das hier bleibt unter uns.«
»Okay.«
»Also los.«
»Hans...« Patrick hielt inne und versuchte es ein zweites Mal. »Er würde alles ganz anders machen als du. Aber du hast den Erfolg. Er versteht das nicht. Und dann... also...«
»Ja?«, fragte Mona. Sie bogen auf die Autobahn, Mona gab Gas und schloss ihr Seitenfenster. Die Sonne stand nun hinter ihnen, das machte die Temperaturen angenehmer.
»Du zeigst ihm das deutlich. Dass er keinen Schnitt bei dir macht. Du lobst jeden mehr als ihn. Selbst mich«, fügte Patrick hinzu, ohne zu merken, an welch miserable Position er sich mit dieser Aussage freiwillig platzierte.
»Ach ja?«, fragte Mona verwundert. Es stimmte, sie kommentierte Fischers Leistungen selten, auch dann nicht, wenn sie gut waren. Man lobte niemanden gern, der sich offen renitent verhielt. Renitent... Sie musste an Plessen mit seinen Theorien denken. Vielleicht war auch das Dezernat und überhaupt jede Firma, jedes Büro so etwas wie eine Familie,
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