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Damals warst du still

Titel: Damals warst du still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa von Bernuth
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so. Heute wirkte sie jedenfalls einigermaßen entspannt und gut gelaunt.
    Fabian machte nun eine andere Initiationsübung mit ihnen, die er Kundalini nannte. Dafür legte er eine CD mit Trommelmusik auf und wies die Teilnehmer an, die Augen zu schließen und sich im Rhythmus der Musik zu schütteln. Zu – schütteln? David glaubte, nicht richtig verstanden zu haben, aber bevor er fragen konnte, ging es schon los. »Bleibt ganz bei euch!«, rief Fabian, und wieder hatte David das Gefühl, dass jeder außer ihm genau verstand, was mit diesem Befehl gemeint war. Wieder schloss er die Augen nur halb und beobachtete heimlich die anderen, wie sie ihre Glieder hin und her schleuderten. Alle schienen vollkommen in sich selbst vertieft zu sein, obwohl ihre Bewegungen eher steif und eckig wirkten. In Davids Augen machten sie sich lächerlich. Er dachte gar nicht daran, sich selber so zum Narren zu machen.
    Pro forma trat er von einem Bein aufs andere und sah sie der Reihe nach an: Volker, Sabine, Helmut, Raschida, Franziska, Hilmar. Drei Männer – Volker, Helmut, Hilmar. Volker: pausbäckig, blondes, schütteres Haar, teilweise ergraut, Anfang fünfzig. Hilmar: Ende dreißig, schlacksig, Vollglatze mit schmalem Haarkranz und einem Gesicht, das stets so wirkte, als habe er was Schlechtes gegessen. Helmut: konnte noch für Anfang dreißig durchgehen. Übergewichtig, fettiges, dunkles Haar, das er im Nacken zu einem dünnen Zopf gebunden hatte. Dicke Lippen, schlechte Zähne. Vom Alter passte er am besten ins Täterprofil, von dem ihm KHK Seiler unterrichtet hatte. Danach hatte sie ihm allerdings eingeschärft, sich nicht sklavisch daran zu halten, sondern alle anwesenden Männer zu beobachten und ihre Familiennamen in Erfahrung zu bringen.
    Letzteres erwies sich als schwierigster Punkt, denn man nannte sich ja grundsätzlich nur beim Vornamen. Nachfragen hätten David verdächtig gemacht. Irgendwann würde er sich unter einem Vorwand hinausstehlen müssen, um sich auf die Suche nach Plessens Büro zu machen, wo sich, hoffte er, die aktuelle Teilnehmerliste befand. Alle drei Männer, so viel hatte David beim gestrigen Mittagessen immerhin erfahren, hatten bereits an einem Seminar mit Fabian teilgenommen und wollten nun ihre Kenntnisse vertiefen. Volker war selbst Therapeut, also hier quasi in der Ausbildung, Hilmar war Hauptschullehrer mit Schülern aus schwierigen familiären Verhältnissen, Helmut hatte sich um die Berufsfrage geschickt herumgedrückt, stattdessen etwas von einem Psychologiestudium genuschelt, war also vermutlich arbeitslos. David beschloss, sie im Auge zu behalten, mit Fokus auf Helmut. Er hoffte sehr, dass in punkto Anordnung heute einer der Männer an der Reihe sein würde.
    Die Trommelwirbel wurden wilder und schneller, und schließlich wurde auch David von dem suggestiven Rhythmus erfasst. Er schloss die Augen ganz und ergab sich der Musik, die nichts Melodiöses mehr hatte, sondern nur noch vom Takt der Bongos, Congas und etwas Metallischem, das er nicht einordnen konnte, bestimmt wurde. Es war ganz anders als die elektronischen Hiphop-Rhythmen, die David Nacht für Nacht gewöhnt war. Das hier war lebendig und wild, auf eine Weise rauschhaft, die nichts Dumpfes an sich hatte, sondern im Gegenteil alle Sinne zu schärfen schien, so lange, bis David jedes einzelne Instrument herauszuhören glaubte.
    Dann plötzlich brach die Musik ab. David öffnete enttäuscht die Augen. Er hätte noch stundenlang so weitermachen können.
    »Geht es dir gut?«, fragte Fabian direkt an David gewandt, und nicht zum ersten Mal hatte David das unbehagliche Gefühl, dass Fabian genau wusste, warum er hier war: Er war zu anders um als normaler Klient durchgehen zu können. Aber das hatte er vorher nicht wissen können, und KHK Seiler auch nicht. Wenigstens hatte er heute Jogginghosen an und das älteste T-Shirt, was er in seinem Schrank finden konnte.
    »Ja«, sagte er auf Fabians Frage.
    »Möchtest du heute über dein Problem sprechen?«
    Verdammt! Das war vorauszusehen gewesen! Und er hatte sich nicht wirklich vorbereitet. Sie müssen sich einbringen , hatte KHK Seiler gesagt. Sie können nicht alles erfinden, für eine komplett neue Vita haben wir keine Zeit. Sie müssen sich zum Teil schon auf die Sache einlassen. Aber eben nicht zu sehr. Mitmachen und dabei ganz cool bleiben.
    Das, wusste er jetzt, war sehr leicht gesagt, vor allem nach diesem Traum heute Nacht, vor allem nach dem, was er vor ein paar Tagen über Danae

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