Damals warst du still
bereits von den ersten Sonnenstrahlen gewärmt wurde. Mona setzte sich in eine windgeschützte Ecke und trank in kleinen Schlucken den heißen schwarzen Kaffee.
Wir haben etwas übersehen.
Aber was? Sie war gestern Abend alle Protokolle durchgegangen und hatte nichts gefunden. Sie hatten die richtigen Fragen gestellt, an den richtigen Stellen nachgehakt, die wichtigen Alibis überprüft. Und trotzdem etwas übersehen. Sie spürte das einfach. Etwas stimmte nicht. Ein leiser Wind erhob sich, Mona bekam eine Gänsehaut. Sie kuschelte sich in ihre Jacke. Es würde wieder ein heißer Tag werden, aber für abends waren starke Gewitter mit Abkühlung angesagt. Langsam stand sie auf und ging in die Wohnung zurück. Sie duschte und richtete anschließend das Frühstück für Anton, Lukas und sich selbst. Auch als alle am Tisch saßen, grübelte und grübelte sie, sodass Anton und Lukas Witze über ihre strenge, in sich gekehrte Miene machten.
»In einer Woche sitzen wir im Flugzeug«, sagte Anton, und seine Stimme klang lauernd.
»Ja klar«, sagte Mona. Was würde in einer Woche sein? Sie hatte keine Ahnung.
Im Auto, auf dem Weg ins Dezernat, klingelte ihr Handy. Sie schaltete die Freisprechanlage ein. Es war Herzog, der Chefpathologe.
»Was ist?«, fragte Mona zerstreut, während sie versuchte, die Fahrspur zu wechseln.
»Ich weiß nicht recht, wie ich anfangen soll«, sagte Herzog. Er klang zögerlich und unsicher, gar nicht wie er selbst. Mona war sofort alarmiert. »Was ist los?«, fragte sie.
»Also, um es kurz zu machen: Plessen... Ich habe seine DNS mit der seines angeblichen Sohnes verglichen.«
»Wie bitte?«
»Seine DNS. Ich habe sie verglichen.«
Mona glaubte immer noch, nicht richtig zu hören. Aber Herzog gehörte nicht zu den Leuten, die Witze machten. »Sie haben...«
»Ja.«
»Verdammt noch mal... Wie kommen Sie dazu? Und warum weiß ich davon nichts?«
»Ja, es war... Ich war da etwas... eigenmächtig. Ausnahmsweise. Wissen Sie noch, wie Sie mit den Plessens in der Pathologie waren?«
»Ja. Sicher. Und?« Mona überholte einen Lastwagen, der sich mit lang gezogenem Hupton rächte. Deshalb hörte sie Herzog nur schlecht. »... dass er keinerlei Ähnlichkeit hat.«
»Was? Wer hat keine Ähnlichkeit mit wem?«
Sie hörte Herzog seufzen. »Der Vater mit seinem Sohn. Wissen Sie, ich hatte schon mehrfach solche Fälle. Der Vater denkt, er ist der Vater, aber er ist es nicht. Ich kann das mittlerweile ganz gut sehen. Familienähnlichkeiten meine ich. Ich kann das sehen, an den Knochen, an der Struktur des Gesichts. Und da war keine. Nichts.«
»Das kann nicht wahr sein. Sie haben einfach...«
»Ja. Es klappt ja schon mit ein paar Haaren.«
Mona war fassungslos. »Sie haben Plessen Haare entnommen? Ohne seine Einwilligung? Ohne, dass wir davon wussten?«
»Nun... ja. Und bevor Sie jetzt völlig ausrasten, möchte ich Ihnen hiermit sagen, dass Fabian Plessen nicht der Vater von Samuel Plessen ist.«
»Das gibt’s doch nicht«, sagte Mona.
»Machen Sie mit dieser Info, was Sie wollen. Aber...«
»Was wir wollen? Sie sind gut! Sollte das irgendwie von Relevanz sein, können wir es vor Gericht nicht verwenden! Warum haben Sie nicht vorher mit mir geredet? Wir hätten Plessen...«
»Ja, ja, ja. Dieser Plessen war in Trauer. Da kann man so was nicht fragen, finde ich. Also...«
»Haben Sie ihm ein paar Haare vom Sakko gezupft und einfach so eine DNS-Analyse gemacht. Das ist... Das kostet doch auch viel Geld!«
»Ja. Aber ich war mir sicher. Verstehen Sie, ich war mir einfach sicher!«
»Warum haben Sie nicht mit mir geredet? Ich verstehe das einfach nicht!«
Herzog wollte auch einmal Detektiv sein. Männer waren so, dachte Mona. Manchmal hatten sie es satt zu funktionieren, und fingen an zu spielen – auf Risiko natürlich, sonst machte es ja keinen Spaß. Vielleicht war das manchmal gar keine so schlechte Eigenschaft. Diesmal, immerhin, hatte sie Bewegung in den Fall gebracht. Mona musste wegen einem Stau im Paul-Heyse-Tunnel anhalten, Lärm überall, stickige Luft und natürlich keine Klimaanlage in diesem alten gammeligen Dienstwagen. Und jetzt Herzog, der einfach eine DNS-Analyse machte, die man nicht verwenden konnte, es sei denn...
... man ging den offiziellen Weg und bat Plessen um die Genehmigung. Die er nicht gut verweigern konnte, ohne sich verdächtig zu machen. Die Sache war nicht koscher, aber auch nicht wirklich – doch, sie war regelwidrig, aber …
Mona dachte
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