Damals warst du still
Organismus durcheinander gebracht, was zur Folge hatte, dass er immer müde war, ohne sich je richtig erholen zu können. Aber das war diesmal nicht der einzige Grund, weshalb er sich stundenlang wie im Fieber herumwälzte, bis ihn Sandy auf die unbequeme Wohnzimmercouch verbannte, wo er sich Stunde um Stunde durch die verschiedenen Nachrichten- und Musikkanäle zappte.
Als es schließlich hell wurde, fiel er dann doch in einen unruhigen Schlaf. Er träumte von einem Mädchen mit dunklen, lockigen Haaren. Sie ging vor ihm her, ihre Mähne fiel ihr weit den Rücken hinab und leuchtete im unwirklich hellen Sonnenschein. David fühlte sich, als wäre er auf einem verblichenen Foto gefangen, aber er war nicht gefangen, denn er konnte sich bewegen, er lief hinter dem Mädchen her. Er streckte die Hand aus, um sie zu berühren, aber so nah er ihr auch kam, es gelang ihm nicht. Es war, als sei sie umgeben von einer unsichtbaren Schutzschicht, die er nicht durchdringen konnte. Vielleicht wollte er es auch gar nicht.
Dieser Gedanke ließ ihn mitten im Traum innehalten: Vielleicht war es richtig so. Er blieb stehen, und das Mädchen entfernte sich mit unglaublicher Geschwindigkeit von ihm, als hätte sie Siebenmeilenstiefel an den Füßen. Er sah ihr nach und wusste plötzlich, wer sie war. Eine starke Erregung erfasste seinen Körper, das Verlangen begann ihn zu schütteln, er glaubte, nicht mehr weiterleben zu können, wenn er sie nicht sofort haben konnte. Aber sie war verschwunden, außerhalb seiner Reichweite. Er rief ihren Namen, aber er hatte seine Stimme verloren.
Danae. Er wachte auf, mit dem Namen auf seinen Lippen. Die Morgensonne schien hell in den Raum, seine Erektion erinnerte ihn auf fatale Weise an seinen Traum, der nicht sein konnte, nicht sein durfte.
15
Mittwoch, 23. 7., ca. 6.05 Uhr
Auch Mona lag wach im Bett, aber aus ganz anderen Gründen. Neben ihr schnarchte Anton, der Mann, der, zusammen mit ihrem gemeinsamen Sohn, ihre Familie war, denn eine andere gab es nicht. So einfach war das, wenn man keine Wahl hatte. Mona dachte an Lin, ihre Schwester, die immer für sie da gewesen war, aber Anton von Anfang an abgelehnt hatte. Kunststück, Lin war nicht bei einer schwer kranken Mutter in einem Glasscherbenviertel aufgewachsen, sondern beim gemeinsamen Vater in einer hübschen Gegend ohne Jugendbanden. Sie konnte es sich leisten, jemanden wie Anton abzulehnen. Anton hatte Mona damals beschützt. Er war einer der Leader ihres Viertels gewesen und sie seine Freundin, und deshalb durfte niemand anders sie anfassen, und das war gut gewesen. So hatte Mona ihre Jugend ausgehalten, ihre Mutter, der es immer schlechter ging, ihre eigenen Schuldgefühle, weil sie nicht helfen konnte, sondern stattdessen weit, weit weg wollte. Lin wusste nicht, wie das war. Sie hatte sich einen Mann wählen können, ganz frei, ohne Druck von außen.
Mona und Anton würden nie frei voneinander sein.
Gestern hatten Mona und Lin miteinander telefoniert. Lin hatte sie auf dem Handy angerufen, obwohl sie Monas und Antons Festnetznummer hatte. Das war Absicht gewesen.
Wohnst du immer noch bei dem?
Hör schon auf, Lin. Du weißt genau, wie Anton heißt. Du hast auch Antons Nummer.
Anton. Lin hatte den Namen geradezu ausgespuckt. Der macht dich kaputt mit seinen Geschäften.
Lukas braucht ihn. Und ich auch.
Lukas braucht was ganz anderes. Stabilität.
Ach was, hatte Mona gesagt . Lukas braucht Anton. Und perfekte Väter gibt’s eben nicht.
Daraufhin hatte sich Lin mit säuerlichem Unterton verabschiedet, und zum ersten Mal hatte Mona kein schlechtes Gefühl dabei gehabt. Sie und Anton waren bestimmt nicht perfekt, aber wer war das schon? Lukas wurde jedenfalls von beiden geliebt, und das war schon viel. Mehr als Mona je von ihren Eltern bekommen hatte.
Mona reckte und streckte sich, während Anton sich auf die andere Seite drehte und weiterschlief. Der Wecker zeigte sechs Uhr zehn. Zu spät, um noch einmal einzuschlafen, zu früh um aufzustehen.
Wir haben etwas übersehen.
Mona richtete sich auf, rieb sich die Augen. Im Zimmer war es angenehm kühl und still. Den Verkehr der Schleißheimer Straße hörte man hier nur als an- und abschwellendes Grundrauschen, das man nach gewisser Zeit kaum noch wahrnahm. Mona stellte ihre nackten Füße vorsichtig auf den Holzboden und stand auf. Barfuß schlich sie in die Küche, machte sich einen Kaffee, nahm sich ihre Jacke von einem der Stühle und ging hinaus auf die Terrasse, die
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