Damals warst du still
und – geh einfach. Mach schon, denk nicht weiter drüber nach. Konferenz ist in einer Stunde.«
»Ich weiß.«
»Karl, wie gesagt, das alles bleibt unter uns. Versprochen.«
»Ich...«
»Ist schon gut. Jeder ist mal unaufmerksam und...«
»Ich hätte das checken sollen. Schon letzte Woche.«
»Ist schon gut.«
»Noch eine Frage.«
»Ja?«
»Woher wusstest du das mit der Adoption? Ich meine, da kommt man doch nicht einfach so drauf – hast du einen Tipp gekriegt, oder...«
»Einfach Intuition«, sagte Mona und lächelte, bis ihr der Kiefer schmerzte und Forster endlich draußen war.
21
Mittwoch, 23. 7., 11.14 Uhr
»David? David!« David hörte seinen Namen und öffnete die Augen. Einen Moment lang wusste er nicht, wo er war und wer diese Leute waren, die sich über ihn beugten mit vor Besorgnis ganz faltigen Gesichtern. Dann erinnerte er sich an einen Mann mit finsterer Miene und Koteletten. »Hallo?«, sagte er mit schwacher Stimme.
»Er ist wieder da«, sagte jemand. »Macht euch keine Sorgen, das passiert manchmal.«
David drehte den Kopf, Fabian Plessen kam in sein Blickfeld, und im selben Moment fiel ihm alles wieder ein. Er war... zu tief in ein anderes Leben hineingetaucht und hatte irgendwann keine Luft mehr bekommen. Aber jetzt ging es ihm gut. Langsam setzte er sich auf und sah sich um. Plessen hockte sich vor ihn und sah ihn an, diesmal nicht warm und voller Verständnis, sondern besorgt und forschend.
»Das kommt schon mal vor«, sagte er langsam und ließ David nicht aus den Augen. »Aber nicht gerade sehr häufig.«
»Was?«, fragte David. Etwas kratzte in seiner Lunge. Er hustete.
»Du hast dich selbst vergessen. Wie ein gutes Medium. Das ist natürlich nicht ungefährlich. Aber wir kriegen das schon in den Griff.«
David fühlte sich gekränkt. Fabian behandelte ihn, als sei er schwach, schwächer als die anderen. Das war er nicht. Es ging ihm gut.
»Wie ist es, David?«, fragte Plessen. »Wie fühlst du dich jetzt?«
»Gut!«
»Möchtest du pausieren?«
»Nein, ich bin okay. Wir können weitermachen.« Sie waren mittendrin in Helmuts Leben. Vielleicht war sein Leben der Schlüssel zu allem. Vielleicht hatte Helmut das getan, was sein Vater nicht geschafft hatte. Zu töten, um sich aus allen Abhängigkeiten zu befreien. David stand auf, nicht ganz so mühelos wie sonst und ein wenig schwindelig im Kopf. Aber mit dem festen Willen, sich sofort zu erholen. Auch Fabian erhob sich. Die anderen aus der Gruppe standen im Halbkreis um sie beide herum und betrachteten David schweigend und – aber vielleicht bildete sich das David nur ein – mit einem gewissen Neid.
»David hat eine besondere Begabung«, sagte Fabian, als wollte er diesen Neid bestätigen, vielleicht sogar schüren. »Er kann sich in Menschen hineinversetzen, für kurze Zeit jemand anders werden. Das ist für unsere Arbeit sehr wichtig, andererseits dürfen Menschen wie er auch nicht überfordert werden.«
Die anderen nickten, und nun spürte David ganz deutlich, was sie dachten: Der war zum ersten Mal hier. Wie kam es, dass er besser war als sie?
»David, du bist sicher, dass du weitermachen willst?«
»Ja. Mir geht’s gut.«
»Schön«, sagte Fabian. »Dann stellt euch bitte genauso auf, wie ihr gestanden habt. Mit Raschida, bitte.«
Alle taten wie geheißen. Und wieder spürte David, diesmal aber nicht ganz so quälend, die Ausweglosigkeit »seiner« Situation. Hinter ihm »Sohn« und »Ehefrau«, die er hasste, vor sich seine »Mutter«, die ihn nicht aus den Klauen ließ.
»Sie ist diejenige, die dich nicht gehen lässt, nicht wahr?«, sagte Fabian zu David.
»Ja. Ich kann nicht weg, solange sie da steht.«
»Meine Großmutter...«, hob Helmut an, aber Fabian unterbrach ihn sofort in gebieterischem Ton. »Warte, Helmut. Zu den Erklärungen kommen wir gleich. Ich will jetzt die Energie nutzen, die in dieser Konstellation steckt.«
»Ja.«
»Ist das okay für dich, Helmut?«
»Ja. Sicher.«
»Gut. Dann sei jetzt ruhig.«
Helmut war ruhig, aber sein unterdrückter Ärger erfüllte den Raum wie eine giftige Wolke.
»Du kannst nicht weg, David?«
»Nein. Nicht solange sie da steht.«
»Du kannst sie beiseite schieben. Sie ist nur eine Frau, sie ist älter als du und schwächer.«
»Ich kann nicht.« David trat der Schweiß auf die Stirn, aber er nahm sich zusammen.
»Warum nicht?«
»Sie hat...« Erneut überkam ihn Schwindel; er biss sich auf Zunge und Backe, damit ihn der Schmerz wieder zu sich
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