Damals warst du still
brachte. »Sie hat...«
»Ja. Sag es uns.«
»Ich habe – etwas – getan...«
»Du hast etwas getan, was sie weiß, und sonst keiner?«
»Ja.«
»Sie hat dich in der Hand.«
»Ja.«
»Nein.«
»Sie hat...«
»Nein, hat sie nicht. Egal, was du getan hast. Sie kann dir finanzielle Unterstützung entziehen. Sie kann dich ins Gefängnis bringen. Aber deine innere Freiheit kann sie dir nicht nehmen. Du kannst jederzeit gehen.«
David richtete seinen Blick auf Raschida, die seine Mutter spielte. Er sah sie plötzlich, wie sie war. Nur eine Frau, die keine Macht über ihn hatte, es sei denn, er räumte sie ihr ein. Niemand hatte Macht über jemand anderen, es sei denn, der andere verlieh ihm diese Macht. David fühlte, wie ein tiefer Frieden über ihn kam. Er entspannte sich. Er fühlte sich gut – als Vater Helmuts, eines Mannes, den er nicht kannte und über den er nun doch so viel wusste.
»Helmut«, sagte Fabian. »Jetzt bist du dran.«
»Ja?«
»Komm her, Helmut. Du kannst deine Großmutter jetzt woanders platzieren. Aber nur sie, nicht die anderen.«
»Ja.« Und Helmut nahm Raschida am Arm und stellte sie neben seinen »Vater«.
»Wie fühlst du dich jetzt?«, fragte Fabian Raschida.
»Besser«, sagte Raschida.
»Auch du warst in dieser Konstellation gefangen.«
»Ja. Ich kann meinen Sohn jetzt gehen lassen. Wenn er will, soll er gehen. Ich kann mich um andere Sachen kümmern...«
»Okay, Raschida, das reicht. David?«
»Ja. Auch besser.«
»Willst du immer noch gehen?«
David horchte in sich hinein. »Ja«, sagte er schließlich.
»Du willst eine neue Familie gründen?«
»Nein.«
»Du willst für dich sein?«
»Ich will überhaupt keine Familie. Ich hätte...«
»Nie eine haben dürfen?«
»Ja«, sagte David, und glaubte tatsächlich zu spüren, dass das wahr war – aber wie würde das Helmut empfinden? Wie war das für einen Sohn – zu begreifen, dass seine Existenz eine Art Versehen war, das nie hätte passieren dürfen?
»Gut, bleib trotzdem da stehen, wo du stehst. Gehen kannst du später immer noch. Sabine, wie geht es dir?«
Sabine, als Helmuts Mutter: »Ich will keinen Mann, der mich nicht will.«
»Du kannst deinen Mann gehen lassen?«
»Ja. Er ist ja schon weg. Er war nie wirklich da.«
»Okay. Was ist mit dir, Hilmar?«
»Ich bin... traurig«, sagte Hilmar, der Helmut spielte, mit kleiner, kindlicher Stimme.
»Es ist hart zu erfahren, dass man fälschlicherweise auf der Welt ist«, sagte Fabian. »Eine Mutter allein reicht nicht. Eine Familie ohne Vater ist nicht vollständig.«
»Ja.«
»Aber du hast es doch schon immer gewusst, nicht wahr?«
»Ja.«
»Nun, wie fühlst du dich jetzt? Beschreib es uns genau.«
»Ich bin der, der nicht sein darf.«
»Ja. Wie ist das für dich?«
Eine Pause entstand. Der echte Helmut schien erstarrt vor Kummer, und auch der Rest der Gruppe schien kaum atmen zu können.
»Schrecklich«, sagte Hilmar, noch immer mit dieser kleinen, armen Stimme.
»Ja, schrecklich. Das Leben ist nicht immer süß wie Zucker, das ist wahr. Manchmal ist es bitter wie Galle. Aber wir sind nicht hier, um uns immer und ausschließlich gut zu fühlen. Wir sind hier, um zu lernen und um unsere Bestimmung zu leben, und das an sich ist positiv.«
»Ich verstehe das nicht«, sagte Helmut leise.
»Es ist ganz einfach. Schau in dich hinein. Du fühlst dich nicht nur schrecklich, das ist nicht wahr. Da ist noch etwas anderes in dir. Sag es uns.«
»Ich weiß nicht.«
»Doch, du weißt es. Sag es uns.«
»Vielleicht – Freiheit?«
»Ja! Du hast es verstanden!«
»Frei? Ich bin frei?«
»Ja! Du bist frei. Du bist etwas Besonderes, du bist nicht mehr an Familienstrukturen gebunden. Du kannst alles tun, auf der ganzen Welt.«
»Aber...«
Fabian nahm Helmut an der Hand und führte ihn zu Hilmar. »Stellt euch gegenüber. Nehmt euch an den Händen, seht euch an.«
Hilmar und Helmut fassten sich an den Händen wie Kinder, die Ringelreihen spielen, und sahen sich an. Beide begannen zu weinen. David war nun wieder ganz er selbst, und er fand die Situation entsetzlich peinlich: Zwei erwachsene Männer, die sich so gehen ließen, ohne ihre Würde zu bewahren!
»Du bist frei«, sagte Fabian wieder und legte eine Hand auf Hilmars, die andere auf Helmuts bebende Schulter. David wand sich innerlich; mit einem Mal erschien ihm alles verlogen und falsch. Er schloss verwirrt die Augen. Noch vor Minuten war er vollkommen in seiner Rolle als Helmuts Vater
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