Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick

Titel: Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
Vom Netzwerk:
bei denen Datteln gebraucht wurden, war groß. Die Süße der Frucht konnte nicht genug gelobt werden: »Wie süß sollte die Dattel sein?«, fragte man einen Dichter im 10. Jahrhundert. Die Antwort: Wenn man eine reife Dattel in den Mund legt, muss man ihre Süße bis zu den Fußsohlen spüren . »Und welche Dattel ist die beste?«, fragte man ihn weiter. Die Antwort: Die, in deren Fruchtfleisch die Zähne hoffnungslos versinken .
    Heute gibt es nur noch wenige Sorten, und wir wissen nur von ein paar süßen Gerichten, zu denen die Dattel gebraucht wird. Es gibt natürlich eine Art Dattelhonig, der aus dem dickflüssigen Saft der Datteln gewonnen wird. Außerdem gibt es auch Dattelwein, und die jungen Blätter der Palme sollen als Gemüse vorzüglich schmecken.
    In der arabischen Dichtung und in Sprichwörtern ist die Palme wegen ihrer Frucht und dem senkrechten Stamm einSymbol für Fruchtbarkeit, Aufrichtigkeit und Stolz. Ihr Bild fehlt auf keinem Fresko. Kinder im Orient vergessen beim Malen vieles, aber nicht die Sonne und auch nicht die Palme.
    Seit der frühesten Zeit haben die Araber kaum einen Baum so innigst geliebt wie die Dattelpalme. Und sie erzählen eine der sympathischsten Geschichten über Gott:
    Als Gott Adam aus Lehm schuf, blieb etwas Lehm übrig. Er setzte sich hin und formte eine Palme. Bald hauchte er ihr Leben ein und war beglückt über seine neue Schöpfung. Adam stand neben Gott und beobachtete erstaunt das Wunder: »Schau dir die Palme an. Sie ist deine Schwester. Achte sie und sie rettet dich in der Not.«
    Seitdem glaubten die Araber fest an die Verwandtschaft zwischen Mensch und Palme. Sie stirbt, wenn man ihr den Kopf abhackt. Sie trauert bei Tadel und blüht bei Lob – und sie verliebt sich in andere Palmen und trauert ihnen lange nach, wenn sie gefällt werden.

DAS BESONDERE BLAU
     
    D as Bild, das ich jeden Morgen sehe, wenn ich an meinem Schreibtisch sitze, hat eine besondere Geschichte: Ich war etwa zehn Jahre alt, als ich das Mittelmeer zum ersten Mal sah. Mein Onkel heiratete in Beirut, und wir blieben eine Woche lang dort. Für mich war diese Begegnung der Anfang einer bis heute andauernden Liebe.
    Für Küstenbewohner wird es nie zu verstehen sein, warum Binnenländer ein so inniges Verhältnis zum Meer haben. Die meisten Fischer, denen ich begegnet bin, konnten nicht schwimmen. Signor Baretti hat in den fünfzehn Jahren unserer Bekanntschaft niemals die zehn Meter überwunden, die seine Strandbar vom Wasser trennt. Ich nehme dafür 1500 Kilometer in Kauf.
    Wasser ist für einen Araber nahe bei Gott, und für die Damaszener bedeutet das Paradies nichts als üppiger Schatten, Wasser und ein schönes Gesicht. Im Gegensatz zu einem Nordeuropäer betrachten sie den Regen als Gottes Segen. Nach 33 Jahren Aufenthalt in Deutschland habe auch ich genug von diesem Segen. Aber niemals vom Meer.
    Was fasziniert mich so am Meer? Wenn ich alles auf zwei Punkte reduzieren müsste, so sind es: das besondere Blau und die ewige Bewegung der Wellen.
    Von jener ersten Begegnung mit dem Mittelmeer blieb mir ein Ereignis im Gedächtnis lebendig. Meine Mutter musste bei der siebentägigen Hochzeitsfeier helfen und hatte kaum Zeit für uns. Sie und die anderen Tanten baten uns Kinder,nicht zum Meer zu gehen, sondern in dem nahe gelegenen schönen Park zu spielen. Meine Geschwister, unsere unzähligen Cousins und Cousinen gehorchten und spielten dort. Ich aber schlich zum Meer. Als ich zum Mittagessen vom Strand zurückkam, schrie mich meine Mutter an, weil ich behauptete, ich sei mit den anderen im Park gewesen. Mein sonnenverbranntes Gesicht hatte mich verraten, und so gab es keinen Nachtisch für mich. Die anderen Kinder leckten, genüsslich schlürfend, ihr Eis. Ich schwor, nie wieder zum Meer zu gehen, doch in der Nacht lag ich lange wach, und das Rauschen der Wellen kletterte am alten Efeu zum offenen Fenster herein und kitzelte mich im Ohr.
    Am nächsten Tag ging ich wieder zum Meer, aber ich blieb im Schatten. Als ich zurückkam und fröhlich vom Park erzählte, verriet mich der Sand, den meine Mutter schadenfroh aus meinen Sandalen klopfte. Ich verlor meinen zweiten Nachtisch, und die Kinder lachten. Nichts auf der Welt aber fördert eine Liebe mehr als ihr Verbot. Am nächsten Morgen eilte ich wieder ans Wasser. Diesmal beschloss ich, meine Mutter zu überlisten. Ich spielte am Meer, lief aber immer wieder in den Schatten. Bevor ich das Haus meines Onkels betrat, klopfte ich meine Schuhe

Weitere Kostenlose Bücher