Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick
aus, bis kein Körnchen Sand mehr drin war, und ging mit einem Lächeln hinein.
»Was für ein schöner Park«, rief ich meiner Mutter herausfordernd zu. Sie schaute mich prüfend an, und ich schwärmte weiter von der Schönheit des Gartens. Ich lachte innerlich, als sie meine Schuhe ausklopfte. Da sagte sie unvermittelt: »Komm her!«, nahm meinen Arm und leckte daran. »Du warst am Meer. Nur Meersalz schmeckt so!« Sie schüttelte lachend den Kopf, gab mir einen Klaps und zum Ärger der Kinder an jenem Tag eine doppelte Portion Vanilleeis mit Pistazien.
Ich schrieb dieses in meinem Gedächtnis eingebrannteErlebnis auf, doch es fehlte etwas. Was, wusste ich erst, als Root Leeb das Bild für diese Geschichte anfertigte: das besondere Blau des Mittelmeers.
Das Haus meines Onkels reduzierte die Malerin auf vier Elemente: die rote Holztür, seine gelbliche Fassade, seine Winzigkeit im Vergleich zum nahen Pinienwald, der hier durch einen einzigen mächtigen Baum dargestellt wird, und ein Fenster, das durch das Haus hindurch einen weiten Horizont und ein kleines Stück Himmel freigibt. Das helle Grün der Nadeln und der durch die Meeresluft vermooste Stamm entsprechen meinen Beschreibungen, doch Malerei, will sie Kunst sein, ist genauso wenig nur Beschreibung wie Literatur. Das Haus und der Baum stehen nicht im Mittelpunkt, sondern sind nach rechts gerückt. Sie lenken durch ihre glühenden Farben den Blick auf sich, doch im Mittelpunkt und allgegenwärtig ist das Meer, das in Bewegung ist und trotzdem Ruhe ausstrahlt.
Dieses besondere Blau des Mittelmeers hat vor Root Leeb viele Maler fasziniert. Bei Paul Klee und August Macke führte es nach ihrem Aufenthalt in Tunis zu einer völligen Veränderung ihrer Malerei: Licht und Farbe waren nicht länger Hilfsmittel, um eine Perspektive zu verdeutlichen, sondern wurden selbst zum Thema der Aquarelle. Root Leeb führt in ihren Bildern diesen Weg konsequent weiter. Das Grün, das sie unter dem Blau einarbeitet, vertieft sinnlich das Blau. Man sieht diese Vermischung von Seegras- oder Algengrün mit dem Blau nur in tiefen Gewässern.
So wie Musik die Stimmung der Worte ausdrücken kann, kann Farbe die Grenzen der Worte aufstoßen. Root Leebs derzeitiges großes und anspruchsvolles Projekt ist es, Italo Calvinos Werk Die unsichtbaren Städte mit Farbe sichtbar zu machen.
Man wird den genialen Calvino durch Root Leebs Farben neu kennen lernen.
GASTFREUNDSCHAFT
S o wie vieles im Leben der Araber beeinflusste die arabische Wüste, die Urheimat der Araber, ihre Beziehung zum Gast, das heißt zu einem Fremden unter ihrem Schutz.
Die Nomaden kannten, durch ihre Erfahrung mit der Wüste, zwei Dinge nicht: Bodenbesitz und Gefängnisse. Besitz an sich war nicht verpönt, ganz im Gegenteil, aber Boden- und Ackerbesitz hält fest, schränkt die Freiheit ein und macht gierig. All dies sind Eigenschaften, die der Nomade verabscheut.
Diese Haltung, die allein aufgrund der Gegebenheiten in der Wüste entwickelt wurde, führte zu einer eigenartigen Wurzellosigkeit, einer Fremde. Die Wüste beherbergte alle unterschiedslos und ließ sie fremd bleiben.
Begegnen sich zwei Menschen in der Wüste, so läuft die Begegnung in mehreren Phasen ab. Man könnte den Vorgang vereinfacht in drei Stufen einteilen. Jede Stufe hat mehrere mögliche Ausgänge. Wenn wir eine günstige Begegnung annehmen, dann durchläuft sie die Stufen Furcht vor dem Fremden, Gastfreundschaft, Trennung.
Erweist sich die Furcht vor dem Fremden als unbegründet, so besteht die Gastfreundschaft in einer Gabe. Der über Lebensmittel Verfügende (in der Regel der Nomade, der mit seiner Sippe in der Gegend seine Zelte aufgeschlagen hat) bewirtet den Bedürftigen, einen aus unterschiedlichen Gründen Reisenden. Diese Bewirtung, die manchmal nur in der Gabe von Wasser bestehen kann, ist eine dringende Notwendigkeit, die weder vom Stand des Bewirteten noch vom Nutzen desBewirtenden abhängt. Man kann es zugespitzt so formulieren: Die Bewirtung ist nicht einmal persönlich gemeint, sondern eine Maßnahme gegen die Lebensfeindlichkeit der Wüste. Nach der Bewirtung entsteht eine kurzlebige Freundschaft, die nach der Trennung entweder folgenlos bleibt oder zu lang anhaltender Verbundenheit führt.
Der Gastgeber bewirtet den Fremden, weil er in ihm sich selbst sieht. Diese Sicht ist bei Städtern getrübt oder völlig verschwunden. Der Nomade weiß von Kind auf, dass er nur durch Zufall heute der Bewirtende ist, dass er
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