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Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick

Titel: Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Haus, das Gäste nicht beherbergt, wird von den Engeln gemieden«, sagt Uns bin Malik, einer der Weisen, die den Propheten Muhammad von der ersten Stunde an begleiteten. Auch kein Geringerer als der Prophet selbst sagte: »Der Großzügige steht den Menschen und Gott nahe, der Geizige ist,nahe dem Feuer, beiden fern.« Ein arabisches Sprichwort besagt sinngemäß: Geiz ist ein Sammler der Untugenden.
    Geiz ist, den Gästen ihr Recht auf Freundschaft vorzuenthalten. Im Koran werden die Geizigen getadelt, weil sie mit dem geizen, was Gott ihnen geschenkt hat. Das wird ihnen im Jenseits vorgehalten. Der kluge Imam Hasan Albasri sagte: »Ich habe kein unglücklicheres Wesen gesehen als einen Geizigen. Er quält sich auf Erden, um Geld zu sparen und zu besitzen, und wird dafür im Jenseits bestraft.« Bücher über Bücher sind gefüllt mit Tadeln gegen die Geizigen. Die Araber glauben fest daran, dass Speisen eine Gabe Gottes und anderen Menschen nicht vorzuenthalten sind.
    Gastfreundschaft ist aber nicht angeboren. Das wissen die Araber und erziehen ihre Kinder deshalb von klein auf zur Liebe und Achtung gegenüber Gästen. »Der Gast ist ein Heiliger«, sagte meine Mutter, »wenn er sich bei dir wohl fühlt, segnet er dein Haus.«
    Wir waren Kinder und unerfahren. »Und was ist, wenn er ein Teufel ist?«, fragten wir naiv und vorwitzig.
    »Dann vergisst er die Stunden bei euch nicht, und wenn ihr bei ihm landet, schont er euch etwas«, antwortete meine Mutter weise.
    Die Erziehung der Kinder zur Gastfreundschaft ist an sich nicht schwer, weil die Kinder in Arabien von klein auf Handlung und Meinung ihrer Eltern gegenüber Gästen miterleben. Haben die Eltern nicht gespielten, sondern wahren Genuss an der Gastfreundschaft, so werden auch die Kinder bald Sehnsucht nach dem freudigen Lachen eines Gastes entwickeln. Sie werden fragen, wann wieder Besuch kommt, damit sie teilhaben können an dieser freudigen Gelassenheit.
    Doch die Erziehung zur großzügigen Gastfreundschaft hat, das zeigt die Erfahrung, ihre Grenze dort, wo vernünftigbegründete Gastfreundschaft zu verschwenderischer Angeberei wird. Auch wenn nicht gleich der Ruin des Gastgebers befürchtet werden muss, wirkt die Angeberei doch nie erhebend, sondern immer beschämend. Kinder, die diese eitle Übertreibung erlebt haben, werden nicht selten – zum Entsetzen ihrer Eltern – später extrem geizig.
    Gastfreundschaft kann sicherlich üppige Dimensionen haben, aber ein Schluck Wasser an einem trockenen heißen Ort, ein lachendes Gesicht in einer traurigen Zeit ist auch Gastfreundschaft. Lachen ist überhaupt das Erste, was ein ängstlicher, bekümmerter und müder Fremder braucht. Der Sand der Wüste erblüht durch das Lachen zu einer zauberhaften Landschaft. Das beruhigende Gespräch ist eine Nahrung, deren Würze das Lachen ist.
    Sicher, dem Fremden Schutz und Nahrung zu geben, Zuversicht und Kraft einzuflößen ist eine Tat, die der Gastgeber vollzieht, ohne irgendeinen Nutzen daraus zu ziehen. Doch etwas bekommt er allemal als Belohnung durch jeden Besucher: die Befriedigung seiner Sehnsucht nach neuen Geschichten, nach einem Gespräch.
    Das Gespräch befruchtet den Geist, schärft die Vernunft, vergnügt das Herz und vertreibt die Trauer der Seele. Auch hier ist die Wüste die Mutter dieser Sehnsucht. Ihre Einöde erzeugte die Suche nach einer anderen Farbigkeit, nach den Farben der Worte, dem einzigen Zauber, der imstande ist, mitten in der Wüste Wasserfälle, Milch und Honig hervorzurufen. Das Gespräch, das Sprecher und Zuhörer mit unsichtbaren Flügeln ausrüstet und sie in der Welt der Geschichten herumreisen lässt, braucht, um zu gedeihen, großzügige Gastgeber und sprechende, erzählende Fremde. Ein Fremder, der nur isst, trinkt und schläft und nach der Erholung weiterreist, ist eine Enttäuschung.
    Das Gespräch plätschert in Arabien nur scheinbar unverbindlich dahin. In Wahrheit folgt es einem unsichtbaren Kompass. Lust am Wortklang und an der Spannung einer gut erzählten Geschichte ist wichtig und bildet den einen Teil des Bauplans eines Gesprächs. Aber noch wichtiger für die Reihenfolge der Themen ist die Moralskala des Gastgebers. An der Spitze dieser Skala stehen Familie und Sippe sowie deren Querverbindungen. Treffen zwei fremde Europäer aufeinander, so ist zu vermuten, dass sie einander bald die Frage stellen: »Und was sind Sie von Beruf?« Zwei fremde Araber fragen niemals nach dem Beruf, sondern erst allgemein und dann immer

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