Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick

Titel: Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
Vom Netzwerk:
Präsident der USA trotz hoch bezahlter Berater, trotz Geheimdienst und gegen jede Vernunftdas Wort Kreuzzug in den Mund nimmt. Für jeden Orientalen bedeutet Kreuzzug schlicht und ergreifend 200 Jahre Mord und Totschlag.
    Oder nehmen wir ein näher liegendes Beispiel: Ich lebe seit 32 Jahren hier in Deutschland. Ich finde das Land wunderschön und liebe seine Sprache und Menschen, die mir und meiner Literatur eine Heimat geben.
    Aber wenn ich einem Deutschen das sage, wird er verlegen und bekommt ein rotes Gesicht, als hätte ich ihm etwas Unanständiges gesagt. Kann man sein Land, seine Sprache, seine Menschen nicht wunderbar finden, ohne einfältig stolz zu werden?
    Die Ursache dieser Unzulänglichkeiten liegt im Unwissen über die eigene Kultur und die der anderen. Sicher, Wissen allein genügt nicht, aber es stellt die Weichen für die Weisheit.
    Ich plädiere seit über einem Jahrzehnt dafür, im Lehrplan der Schulen wöchentlich eine Stunde für Kulturen der Welt vorzusehen. Hier könnten Wissen und Begegnung Früchte tragen. Mögen einige dieses Vorgehen für einen langen Weg halten. Ich würde dem nicht einmal widersprechen. Ganz im Gegenteil: Ein großes Problem unserer Zeit ist die Eile. Eine Folge davon ist das kurzfristige Denken und Planen. Wir planen Veränderungen gewaltigen Ausmaßes, die innerhalb weniger Monate ausgedacht, vorbereitet, ausgeführt und abgeschlossen sein sollen. Das kann nicht gut gehen.
    Nehmen wir uns also die Zeit für eine weise Erziehung unserer Kinder. Schul- und Erziehungsprogramme sind keine unumstößlichen Naturkonstanten, sondern sie wandeln sich mit der Zeit. Das bessere Wissen um die anderen Kulturen ist ein Wissen über uns selbst. Mathematik, Deutsch, Englisch, Kunst und andere Fächer sind wichtig, aber damit unsere Kinder ihr Wissen zukünftig gebrauchen können, müssen sie mitden Kindern anderer Völker die Welt bewohnbar machen, zivilisieren. Das sind ganz einfache Dinge, aber sie sind dennoch entscheidend für den Quantensprung zwischen Wissen und Weisheit.
     
    3. Probleme einer alten Gesellschaft
     
    Eine der lebendigsten Kulturen der Welt liegt nun brach. Ihr Beitrag zur zivilisatorischen Entwicklung geht gegen null. Die Araber sind große Lieferanten und Verbraucher, aber man beteiligt sie an keiner Entscheidung. Und wenn die Freiheit einer Nation die Summe der Freiheit ihrer Bürger ist, so geht diese Summe in allen arabischen Ländern auch gegen null.
    Die Ursache ist mannigfaltig, und ebenso vielfältig wird auch die Lösung aussehen müssen, wenn sie etwas Hoffnung und Zuversicht geben soll.
    Um das zu verstehen, muss man tiefer graben.
    Vieles, was die Araber und ihre Kultur ausmachte, wurde zwar nicht ausschließlich, aber doch stark von der Wüste geprägt. Will man also die heutigen Araber verstehen, muss man immer den Einfluss der Wüste berücksichtigen.
    Die unendliche Weite der Wüste, der äußerst langsame Farbwechsel, die tiefe, fast hörbare Stille ließen die Neigung zur Malerei schon vor dem Islam verkümmern und gaben stattdessen der Zunge jene Zauberkraft, die den Arabern weltweit ihren Ruhm als Erzähler einbrachte. Mit der Schönheit des Wortes brachten sie Farben in die Einöde. Ausgehungert und fast verdurstet erfanden sie ein Paradies aus Worten, das man auf Reisen mitnehmen kann. Wer sonst außer einem Hungernden träumt von einem Paradies, in dem Milch und Honig fließen.
    Die Wüste ist die Meisterin der Abstraktion. Die Araber waren ihre tüchtigen Schüler. Sie sinnierten mit Worten über die Welt. Alle drei Propheten, Moses, Jesus und Muhammad, ließen die lärmende Schwatzhaftigkeit und Hektik der Städte hinter sich und gingen in die Wüste, bevor sie ihre Ideen verkündeten. Aber nicht nur das. Mich wundert es nicht, dass hier das erste Alphabet der Menschheit entwickelt wurde, die abstrakten Symbole, die dem Klang der Buchstaben Schatten gaben.
    Die Wüste war es auch, die die Geschlechterrollen anders formulierte. Nicht Vater und Sohn kämpften um die Gunst der Mutter und erzeugten zur Freude Freuds den uns heute als Ödipus bekannten Komplex, sondern es entstand ein Wettstreit zwischen Vater und Mutter um die Gunst der Kinder. Wer deren Gunst erwarb, sicherte seine alten Tage in Würde. Die Frau siegte öfter, solange man in der Wüste lebte. Nicht selten bekamen die Kinder den Namen ihrer Mutter, weil sie der sichere, lebenserhaltende Schatten, der Halt in der Wüste war. Die Väter kamen oft von ihren Kämpfen nicht

Weitere Kostenlose Bücher