Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick
genauer nach der Familienzugehörigkeit. Jede Verästelung des Stammbaums wird genau erfragt, um am Ende vielleicht doch gemeinsame Freunde oder gar Verwandte zu finden. Heute ist es wissenschaftlich belegt, dass jeder Mensch auf der Erde jeden anderen über sieben Folgen von Freunden und Bekannten erreichen kann.
Äußerst zufrieden wird der arabische Gastgeber sein, wenn er bei der Bewirtung eines Fremden am Ende feststellt, er habe einem fernen Bekannten, Freund oder Verwandten einen Dienst erwiesen.
Der Gastgeber bekommt im Allgemeinen den Segen der Dankbarkeit seines Gastes als höchste Belohnung, doch Reisende in der Wüste waren auch Träger von Nachrichten aus anderen Zeiten und Orten. Nicht zuletzt auch mit Nachrichten haben sie also das Leben ihrer Wirte bereichert.
Die Gastfreundschaft ist von Natur aus kurzlebig. Was danach folgt, ist offen. Das macht sie risikoreich, spannend. Sowohl Gleichgültigkeit als auch lang anhaltende Verbundenheit sind möglich. Etwas verlangt aber die Moral in jedem Fall: Verrat gegen einen Menschen, mit dem man Brot und Salz teilte, das heißt, mit dem man gegessen hat, ist absolut verwerflich.Gewiss, Verrat geschieht in dieser Beziehung andauernd, aber verwerflich bleibt er allemal. Brot und Salz sind seit der Zeit der Griechen Symbol für das Wichtigste im Leben. Sie waren die Gabe für die Götter. Brot als Symbol für das Leben und Salz als Symbol für die Heiligkeit.
Ob nach der Bewirtung eines Fremden eine große Freundschaft entsteht oder nicht, interessiert einen Araber weniger als der gute Ruf, der Segen, den seine Gastfreundschaft erzeugt. Ein guter Ruf und das Gesicht zu wahren stehen bei den Arabern ganz oben auf der Werteskala.
Doch bevor sich die Worte über Gastfreundschaft allzu rosa färben, sollte man ernüchternd erwähnen, dass Gastfreundschaft eine Erfindung des Menschen und daher mit vielen Schönheitsfehlern behaftet ist.
Der Fremde musste eine seltsame Verwandlung durchlaufen, die ihn zwar in der Wüste überleben ließ, ihn aber innerhalb kurzer Zeit von einem feindlichen Fremden zum Prinzen und am Ende zu einem Heiligen und Schützling machte.
Ist der Fremde noch fern, so ist er Verkünder eines Unheils oder Vorhut einer Drohung. Sobald sich diejenigen, denen er gegenübertritt, aber beruhigen und sie sich sicher sind, dass er in friedlicher Absicht erschienen ist, verwandelt ihn das Verhalten seines Gastgebers in einen Prinzen. Oft muss dann die ganze Familie alles stehen und liegen lassen und zum Empfang eilen. Nicht zufällig riefen die Araber früher und rufen sie heute noch mancherorts: »O mein Gast, trete ein! Du bist der Hausherr meiner Behausung, und ich bin dein Gast!« Es ist ein Relikt aus vergangener Zeit, aber der Ruf ist ernst gemeint. Denn je enthusiastischer der Empfang ist, umso größer wird das Ansehen des Gastgebers.
Tritt der Gast ein, so ist er ein Heiliger, der aber zugleich ein Schützling ist. Er wird äußerst großzügig bewirtet. Und jehungriger er ist, umso glücklicher wird sein arabischer Gastgeber sein. Nicht selten wird für den Gast das letzte Huhn geschlachtet. Ihm wird auch dann Fleisch serviert werden, wenn sich die Familie aus Armut wochenlang mit Hülsenfrüchten begnügen musste. Fleisch gilt in der Wüste als das Edelste unter den Lebensmitteln, und der Gast soll die besten Stücke bekommen.
Aber zugleich ist er nicht mehr Herr seiner Entscheidungen. Er ist wie ein vornehmer Gefangener. Der Schutz des Gastes ist eine uralte, vorislamische Sitte der Wüste. Es galt für alle Sippen der arabischen Wüste die eiserne Regel: Wer Schutz in einem Zelt sucht, bekommt ihn auch. Der Gastgeber muss sich mit seinem Leben vor den Gesuchten stellen. Diese Sitte war ein notwendiger Regulator, ein Gegengewicht zur Blutrache, die manchmal lange wütete und ganze Stämme vernichtete.
Der Gastgeber ist berechtigt und verpflichtet zugleich, das Leben seines Gastes zu verteidigen. Das wussten die Verfolger zu allen Zeiten, und außer in verachtenswerten Ausnahmen hielten sie sich daran.
Dafür wird der Schützling gewissermaßen entmündigt, er hat nicht zu protestieren, nichts zu wünschen und keine eigene Regung zu äußern. Auch Liebe und Zuneigung gegenüber einem Gastgeber bzw. einer Person seines Anhangs ist strikt verboten. Eine Liebesbeziehung zwischen einem Fremden und einer Angehörigen der Sippe galt früher stets als Verrat, als Missbrauch des Gastrechts.
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