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Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick

Titel: Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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eingebauten Lüge erzählen: Libanesische Soldaten waren schon immer berühmt für ihre Opferbereitschaft und ihren Todesmut und deshalb sehr beliebt als Söldner. Da sie sehr arm waren, nahmen sie jedes Angebot an und kämpften in den unterschiedlichsten europäischen Truppen. Doch jedes Mal litten sie bald alle an einer seltsamen Krankheit. Sie manifestierte sich durch nicht genau lokalisierbare körperliche Schmerzen. Auch Herzklopfen, Appetitlosigkeit, Schlafstörungen und andere Qualen suchten die armen Soldaten heim, und in diesem Zustand sprachen sie voller Liebe von ihrem wunderschönen Heimatland. Man sah sich bald gezwungen, diese diversen Symptome einer Krankheit zuzuschreiben, die bereits Pellegrini im Jahre 1766 zu den eigenständigen Krankheiten zählte und Heimweh nannte.
    Und in der Tat, sobald diese Soldaten in ihre libanesischen Dörfer und Städte zurückkehrten, wurden sie gesund.
    Die einzige Lüge in dieser Geschichte ist die von der Herkunft der Soldaten. Es waren keine Libanesen, sondern Schweizer. Die Erkrankung in der Fremde war sogar in vielen Ländern als ureigene schweizerische Eigenschaft bekannt.
    »Heimweh« – das steht im Brockhaus – »ist die melancholische Sehnsucht nach der Heimat und den heimatlichen Verhältnissen. Das Wort Heimweh stammt aus der Schweiz (1569). Es blieb bis 1800 ein nicht schriftfähiges Wort.
    Die medizinische Lehnübersetzung lautet seit dem 17. Jahrhundert Nostalgie (sonst ›Schweizerkrankheit‹).«
    Und Nostalgie kommt aus dem Griechischen, nóstlos heißt Heimkehr und álgos Schmerz.
    So viel über die Schmerzen der Schweizer in der Fremde.
     
    Ich stellte mir am Anfang meiner Recherche zu diesem Thema die Frage: Kann ein Mensch in der Fremde überhaupt gesund sein? Im Deutschen haben die Wörter Elend und Fremde ursprünglich eine ähnliche Bedeutung: elend bedeutete so viel wie »außer Landes seiend«, fremd so viel wie »fern von, weg von«. Aber auch wenn wir die Definition der Weltgesundheitsorganisation (W H O ) nehmen, wonach sich gesund zählen kann, wer sich seelisch, körperlich und sozial wohl fühlt, werden wir in unserer Zeit selten auf einen Fremden treffen, der gesund ist.
    Ich betone unsere Zeit deshalb, weil das Leben in der Fremde noch nie so schwer war wie in unserem Jahrhundert, und die Prognosen für das 21. Jahrhundert sehen nicht rosig aus. Sicher, die Fremde war zu allen Zeiten bedrohlich. Der Fremde wurde als Feind oder zumindest als Unsicherheit betrachtet, und in der arabischen Wüste kam der Verstoß in die Fremde einem grausamen Tod auf Raten gleich.
    Im Arabischen heißt der Westen Garb , und Garib bedeutet der Fremde, Seltsame. Da sowohl das Wort wie sein Stamm mit dem Westen, dem Sonnenuntergang und dem Dunkel in Verbindung gebracht werden, ist es kein Zufall, dass in den Geschichten der Ostaraber der Zauberer, der Meister derschwarzen Kunst, aus Marokko stammt und in der Regel ein Bösewicht ist.
    In vielen Kulturen billigt man dem Fremden als solchem nur wenig Zeit zu. Dann muss er weiterreisen oder sich anpassen. Sprichwörter sind Romane des armen Mannes, Fenster zur Seele der Völker. Im Deutschen stinkt ein Fremder nach drei Tagen wie ein alter Fisch. Im Arabischen hat er nach drei Tagen die Frage des Gastgebers zu beantworten: Wohin des Weges? Im Türkischen zählt der Fremde nach drei Tagen zur Familie, das heißt, man bewirtet ihn nicht länger, sondern er muss arbeiten, um sich zu ernähren.
    In allen Kulturen war der Fremde schon immer eine Bedrohung, und nie scheiterte die christliche Lehre bei ihren Anhängern schlimmer als mit ihrer Empfehlung, die hässlichste Variante des Fremden, den Feind, zu lieben. Manche Christen sind bereit, ihr Leben für den Glauben zu lassen, aber einen Fremden lieben können sie nicht. Dabei hat niemand Hilfe und Liebe so nötig wie der Fremde.
    Zu allen Zeiten war der Aufbruch in die Fremde mit dem Schmerz der Trennung verbunden. Trennung von den geliebten Menschen, von Orten, Landschaften, Lebensweisen, vom Klima, von der gesellschaftlichen Stellung, von Verhaltensstandards und kollektiven Phantasien, von der Sprache, von Geräuschen und Gerüchen.
    Doch wenn wir unser Jahrhundert mit vergangenen Epochen vergleichen, fällt uns sofort ein wesentlicher Unterschied auf. In der Vergangenheit und bis zum 19. Jahrhundert kamen noch alle Reisenden irgendwo an, im Lauf des 20. Jahrhunderts wurden es immer weniger, und nun kommt gar keiner mehr an.
    Die sichere Ankunft mildert die

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