Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick
mit dem Feind Gespräche führen.
Die ersten Gespräche mit Israelis fanden bereits 1971 statt. Es waren aber Gespräche unter Gleichgesinnten, bei den en man nicht gerne nachbohrte. Man pflegte sich gegenseitig Sympathie zu bekunden und immer zu beteuern, dass es einem egal sei, welche Nationalität der andere habe.
Der Frieden hat langsame Füße, und ginge es nach mir, so wäre nicht die aggressive und flinke Taube das Symbol für ihn, sondern die Schildkröte. Eine mühselige kulturelle Aktivität von einem Jahr wurde damals durch einen einzigen Anschlag von Extremisten oder durch einen militärischen Angriff der israelischen Armee vernichtet. Wir mussten wie unser Vorfahre Sisyphos immer wieder von unten anfangen und den Stein auf den Berg rollen.
Es dauerte Jahre, bis wir 1983 den Mut fanden, Gespräche nicht nur unter Gleichgesinnten, sondern auch zwischen Israelis und Palästinensern, Arabern und Juden in Deutschland zu führen. Es war eine aufregende und gefährliche Zeit. Damals bedrohten nationalistische und fundamentalistische Fanatiker auf beiden Seiten jeden, der für die Annäherung eintrat. Es gab für uns aber keine Alternative für den Frieden.
Doch zurück zum Jahr 1970. Ich musste in jenem Jahr mein Land verlassen, um nicht zu ersticken.
Mit dem ersten Schritt ins Exil verwandelte sich eine mir bis dahin völlig fremde Sprache zu meiner Alltags- und Literatursprache. Meine Muttersprache Aramäisch und meine Kindheitssprache Arabisch traten nun in den Hintergrund, in dieFerne.
In der Fremde machten die Gespräche mehrere Wandlungen mit. Die wichtigsten sind:
1. Eine Veränderung durch die neue Sprache, die nicht nur andere Buchstaben und eine andere Schreibweise zeigt wie das Arabische, sondern die ganze Kultur und Geschichte dieser Gegend in sich trägt. Eine neue Sprache ist eine neue Form, die Umwelt wahrzunehmen, zu denken und zu fühlen.
Bestimmte amerikanische Indianer haben angeblich über fünfzig verschiedene Wörter für die Spielarten der grünen Farbe. Einige Stämme kennen dreizehn verschiedene Verben für das Waschen, je nachdem, was gesäubert werden soll, die Hände, das Gesicht, Wäsche …
Die Inuit, die Ureinwohner von Grönland, verwenden viele Begriffe für den Schnee, die seine Beschaffenheit wiedergeben. Die Araber haben einen reichen Schatz an Wörtern für die Lichtverhältnisse im Verlauf des Tages oder zur Benennung ihrer Familienangehörigen. Für »Onkel« und »Tante« gibt es nicht jeweils nur einen Begriff, wie die heutige deutsche Sprache es kennt. Am ist ein Wort aus zwei Buchstaben und bezeichnet präzise den Onkel väterlicherseits. Chal dagegen besteht im Arabischen aus drei Buchstaben und bezeichnet den Onkel mütterlicherseits. Die Deutschen gebrauchen das Wort »Schwager« ziemlich unbeholfen. In Arabien kommt man mit solch einer simplen Bezeichnung nicht weit. Das Wort »Ehe«, das im Deutschen ziemlich einsam dasteht, hat im Arabischen mehr als zehn Begriffe, die alle das Zusammenleben von Mann und Frau bezeichnen. Ich habe bei Hadi al Alawi siebzehn gefunden. *
Und brachten die Araber auch keine hervorragende Malerei zustande, so entwickelten sie eine gewaltige Sprachkultur. Sie zeichnet eine fast kindliche Liebe zum Synonym aus. Vom Löwen existieren ca. dreißig, vom Hund angeblich neunzig Synonyme. Deshalb wirkt die Sprachlosigkeit im Zeitalter der Visualisierung verheerender auf die Araber als auf andere Gesellschaften, die eine historisch tiefe Beziehung zum Bild und dessen Erzeugung haben.
Es ist also nicht gleichgültig, welche Sprache man verwendet. Sprachen ordnen die Welt. Wenn Gott etwas schuf, ging er – außer bei der Erschaffung des Menschen, wo er beim Mann als Töpfer, bei der Frau als Chirurg und Zauberer gearbeitet hat – nicht wie ein Handwerker vor, sondern er sprach und es wurde. Und bewusst ließ er all seine Geschöpfe vom Menschen benennen, damit war der Akt der Schöpfung vollendet. Mit einem Wort.
Als die Babylonier hochmütig wurden und mit ihrem Turm den Himmel verletzten, versetzte Gott ihnen die härteste Strafe nach der Sintflut: Er verwirrte ihre Zungen, sie konnten einander nicht verstehen. Also wurden sie sich wieder ihrer Winzigkeit bewusst.
2. Es gibt in der Fremde auch eine Veränderung, die durch die unterschiedliche kulturelle Herkunft der Gesprächspartner bedingt ist.
Das macht die Gespräche schwieriger, aber auch spannender und nicht selten fruchtbarer.
– Als Fremder in Deutschland sprach
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