Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick
Warum wollen die da nicht aus unserer Küche essen?« hörte ich oft, auch böse Kommentare zu kranken Fremden, die alle, aber wirklich alle, darin mündeten, die Südländer seien wehleidig und jammerten zu viel. Und ich musste zurückfragen, ob diese armen Teufel hier im Hospital liegen oder in einer Kaserne für harte Männer der Fremdenlegion. Hospital stammt sprachlich vom lateinischen hospitalis ab , was so viel bedeutet wie gastlich. Historisch liegt der Ursprung im kirchlichen Xenodocium , einem Heim für Fremde. Im Französischen hieß das Krankenhaus Hôtel Dieu , Haus Gottes, und im Arabischen Mustaschfa , Ort der Heilung.
Unsere heutige Medizin beschäftigt sich hauptsächlich immer noch zu stark mit dem Befund und nicht mit dem Befinden des Patienten. Der Befund selbst zeigt aber selten den vielschichtigen Weg der Erkrankung.
Die Herkunft des fremden Patienten bestimmt sein Verständnis von Krankheit und deren Behandlung, und dieses Verständnis steht nicht selten diametral zu der heutigen Schulmedizin, die in der Mehrheit der Krankenhäuser praktiziert wird.
Ein Ägypter erzählte mir, er habe zwar die Fragen der Oberärztin verstanden, aber er weigerte sich, ihr Antworten zu geben, die mit seiner Sexualität zusammenhingen. Eine Libanesin war entsetzt, dass man ihr »kiloweise Blut ausgesaugt« hatte. In der arabischen Volksmedizin nimmt der Arzt nie Blut ab. »Schau mich an, Bruder«, sagte die Frau entsetzt, »ichhabe keine Farbe mehr, weil sie mich leer gepumpt haben. Sie müssen mir doch Blut geben, statt mir meines zu nehmen.«
Ein Libanese beschwerte sich immer wieder über das Essen. Denken Sie nicht, er war ein Feinschmecker, der etwa von seinem hohen Anspruch keinen Deut abrücken wollte. Der Mann glaubte, wie die Mehrheit der Araber, dass einem Kranken eine kräftige, schmackhafte Mahlzeit mehr hilft als alle Spritzen. Das hat historische Gründe. Die Menschen im Süden hungerten oft, und die meisten Erkrankungen wurden durch den Hunger verursacht.
Andererseits muss ich gestehen, dass das Essen in den meisten Krankenhäusern allein durch seinen Anblick krank macht. Möge man das mit dem Personal-, Zeit- und Gewürzmangel erklären, aber keiner soll versuchen mir zu erklären, dass dieses Essen, das in der Mehrheit der Krankenhäuser serviert wird, gesund macht. Also hat der Patient Recht.
Hier könnten ethnomedizinische und ethnopsychiatrische Studien das Personal darin unterstützen, die Krankheitsbilder in den verschiedenen Kulturen kennen zu lernen. Hier wären die fähigsten Dolmetscher gerade gut genug, um die Worte zwischen Patientinnen und Patienten und Helferinnen und Helfern zu einer Brücke zusammenzufügen.
Name, Vorname – Blut und Urin abnehmen – ein paar Kästchen im Fragenkatalog des Computers ankreuzen – Warten Sie hier, der Herr Doktor kommt gleich. – Der Nächste bitte.
Mag dieser alltägliche Gang der Medizin oberflächlich und vorübergehend helfen, lösen kann er kein einziges Problem. Erst wenn wir fähig sind zuzuhören, werden wir mit der Würde des Verstehens belohnt. Doch die größte Belohnung werden nicht die Patienten erhalten, sondern wir. Im selben Maß, wie wir es lernen, einen Fremden zu verstehen, werden wir das Eigene verstehen und zu uns finden.
Die Heilung eines Patienten hängt nicht nur von der richtigen Diagnose ab. Die Heilung hängt in noch viel größerem Maße vom täglichen Umgang mit dem Patienten ab. Und hierbei spielt das Pflegepersonal eine entscheidende Rolle. Hier gibt es die größten Berührungsflächen, und hier braucht es den meisten Mut. Mut zum Ruf nach einem adäquaten Dolmetscher, Mut zum Zuhören und vor allem Mut zum Verstehen. Ich bin mir sicher: Nichts auf der Welt hilft besser, einen ausländischen Patienten zu heilen, als das Zuhören.
Und wenn Sie zuhören, werden Sie eine reiche Welt kennen lernen und vielleicht sich selbst und uns allen helfen, unsere kalt gewordene Medizin zu ihren Wurzeln zurückzuführen, zu der Medizin, die einst eine Tochter der Weisheit war.
HÜRDENLAUF
oder Von den unglaublichen Abenteuern,
die einer erlebt, der seine Geschichte zu Ende
erzählen will
Für Emil,
damit er weiß, wie es war
V or genau fünf Tagen bin ich fünfzig geworden. Auf meinem Ausweis steht das Geburtsdatum: 23.6.1946.
Aber so sicher ist das nicht. Warum? Das ist eine kleine Geschichte. Sicher bin ich in der ersten Hälfte des Jahres 1946 geboren. Das ist das Jahr der Unabhängigkeit meines Landes
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