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Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick

Titel: Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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er.
    »Ich weiß es nicht, ich muss es noch erfinden«, antwortete ich.
    »Gut«, seufzte der Tod, »erzähl deine Geschichte weiter, und solange du etwas zu erzählen hast, lasse ich dich hier. Oben bist du ab heute abgeschrieben, aber ein bisschen mogeln kann ich schon. Ich nehme einen anderen, und der Herr kontrolliert nicht immer. Ich werde ab jetzt immer in deiner Nähe sein und deinen Geschichten zuhören. Also, vergiss nicht, du lebst nur durch meine Gnade. Wehe dir, du langweilst mich oder wiederholst eine einzige Geschichte. Augenblicklich verwirkst du dein Leben. Verstanden?«
    Ich nickte, und der Tod verschwand.
    Ich kehrte vom Krankenhaus nach Damaskus zurück, und bald darauf sagte ich meinem Vater, dass ich keine Dichtung mehr mochte und mich nur noch für Naturwissenschaft interessiere. Er war traurig und flüsterte: »Aber ich sage dir, du bist ein Dichter.«
    Von nun an dichtete ich heimlich, las Romane, die ich als Schulbücher tarnte, und suchte schreibend nach meinem Stil. Wäre ich unter den Fittichen meines Vaters geblieben, so wäre ich nie Schriftsteller geworden.
    Doch dies war nur eine Hürde, die zweite war:
     
    Die Schule
     
    Arabisch ist eine komplizierte Sprache, und wird sie von Idioten unterrichtet, so umgibt sie aus Notwehr ihre zauberhaften Gärten mit einer undurchdringlichen Mauer. Als ich sechs wurde, bekam mein Vater große wirtschaftliche Probleme. Ich wurde in eine Schule für arme Christen geschickt und hatte in den ersten Jahren sehr schlechte Lehrer, solche, die aus irgendeiner Besatzungsarmee zurückgelassen worden waren – und weil sie Buchstaben entziffern konnten und einen Anzugmit Krawatte trugen, nannte man sie Lehrer. Ich könnte einen ganzen Tag über ihre Schläfrigkeit, Dummheit und ihren Sadismus erzählen.
    Doch bald erholten sich die Finanzen meines Vaters, und er konnte mich und meinen Bruder Mtanios (Antonius) in eine der drei Eliteschulen von Damaskus schicken.
    Da hatte ich gute, aber strenge Sprachlehrer, die keinen Spaß verstanden, wenn ein Schüler im Aufsatz das Thema etwas ausweitete. Wer das beging, wurde mit der schlechtesten Note bestraft. »Thema verfehlt«, hieß es als Kommentar. Ich erinnere mich an einige geniale Aufsätze, die durchfielen, weil sie Witz, Frechheit und einen Hauch vom Genialen hatten und weil unsere Lehrer, bei zunehmender Militarisierung des Staates unter der Diktatur, ihre wichtigste Aufgabe darin sahen, uns die Flügel zu stutzen, noch lange bevor wir flügge waren.
    Ich führte unter diesem Damoklesschwert ein Doppelleben: In der Schule schrieb ich konventionelle Aufsätze, und da ich ein gutes Gedächtnis hatte, wurde ich bald zum Rezitator der Klasse und von den Lehrern mit besonderer Achtung angeschaut und weitergereicht. Ich verbrachte ganze Nächte, um ein Poem von 30 Seiten aus dem 7. oder 10. Jahrhundert auswendig zu lernen. Und dies trug ich dann mit großem Pathos vor den Schülern vor und hatte für die nächsten Monate die besten Noten und meine Ruhe. Diese Rezitationen waren meine Feuertaufe. Die Mehrheit meiner Zuhörer empfand die Sprache als Bedrohung und war verführt, jedem, der angab, die Sprache leicht zu finden, Hindernisse zwischen die Beine zu werfen, bis er stotterte und sie ihn zu ihresgleichen rechnen durften.
    In dieser Zeit hatte ich ein zweites Erlebnis, das mein Leben, meine Entscheidung für meinen Beruf und meinen Stil geprägt hat: Die Nächte mit Scheherazade.
    Radio Kairo verkündete die Sensation, die Geschichten der Scheherazade 1001 Nächte lang auszustrahlen. Nacht für Nacht hörten wir, meine Mutter und ich, die zauberhaften Geschichten.
    Über zwei Jahre und acht Monate dauerte das. In jenen Nächten wuchs mein Wunsch, Menschen durch Erzählungen in Rausch zu versetzen, damit sie wie ich süchtig nach Geschichten würden.
    Die Jahre vergingen, und ich blieb ein Musterknabe in der Schule. Zu Hause aber las ich wie besessen Weltliteratur und schrieb Märchen und surrealistische Texte, die ich aber niemandem vorzulesen wagte. Mein erstes Theaterstück schrieb ich mit fünfzehn Jahren. Mein Bruder Mtanios war mein Helfer. Er war ein Gagschreiber par excellence, und er konnte aus jeder Situation eine witzige Episode machen.
    Das Stück mit dem Titel Die Buchstaben schickte ich einem Redakteur, der immer wieder Jugendliche aufforderte, Theaterstücke und Hörspiele zu schreiben. Er war begeistert und lud mich in die Redaktion ein. Drei Monate später wurde mein Stück, etwas verfälscht

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