Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick
erzählen, damit sie nicht feige friedsam werden, sondern mutig den Frieden als einzigeAlternative lieben. Von der Angst anderer Kinder muss man ihnen erzählen, damit sie Mut zum richtigen Handeln bekommen, von unterdrückten Kulturen, damit sie die große Kugel der Erde und nicht nur das Segment ihrer eigenen Stadt kennen lernen.
Dies ist die Herausforderung. Unterhaltsam etwas erzählen, nicht nur um aufzuklären. Aufklären ist mir zu wenig in unserer gefährdeten Welt. Unterhaltend einbeziehen möchte ich. Die jungen Leseratten können bei äußerst spannender Lektüre die Misere, die Gefahr und den Widerstand begreifen, und ist die Geschichte glaubwürdig, so ist die Hoffnung berechtigt, dass Kinder lesend viel mehr als fernsehend eine globale Sensibilität entwickeln, die die Erde als Ganzes einbezieht.
Das ist die Herausforderung.
Und ich werde sie annehmen und immer neue Wege gehen. Und selbst wenn ich bei einem Buch Erfolg haben sollte, erwarten Sie bitte keine Fortsetzung. Sie wissen schon Bescheid.
Oft vergesse ich ihn, doch der Tod ist nicht vergesslich.
Vor einem halben Jahr kam er wieder. Es war eiskalt, und ich fuhr gegen Mitternacht von Mannheim nach Hause zurück. Durch Glätte geriet das Auto plötzlich in einer kurvenreichen Straße außer Kontrolle. Plötzlich erschien mir der Todesengel wieder, und ich bat ihn um Verlängerung, bis ich die Geschichte zu Ende geschrieben hätte, an der ich zu der Zeit arbeitete. Das Auto erstarrte mitten in der Bewegung, mit zwei Rädern bereits über dem Abhang. »Erzähl mir die Geschichte«, sagte er, und ich erzählte ihm eine halbe Stunde und unterbrach dort, wo die Geschichte am spannendsten wurde.
»Und weiter?!«, fragte er.
»Nix weiter. Ich brauche noch Zeit, bis ich sie zu Ende erfunden habe.«
Mit einer leichten Handbewegung setzte er das Auto sanft auf die Straße zurück und rief mir nach: »Aber immer wieder werde ich dich aufsuchen, und du erzählst mir, bis deine Geschichte fertig ist, länger nicht, denn du weißt, du bist auf der Erde ab- und oben angemeldet. Wehe dir, du wiederholst dich ein einziges Mal!«, sagte er und lachte so eiskalt, dass die Windschutzscheibe klirrte. Ich fror und fuhr langsam nach Haus.
Und wenn ich sechzig geworden und ich immer noch am Erzählen, das heißt am Leben bin, dann werde ich Ihnen gerne erzählen, was ich dem Teufelskerl inzwischen alles erzählt habe.
Bis dahin, leben Sie wohl!
* Rafik Schami , Vom Zauber der Zunge. Frauenfeld: Verlag im Waldgut, 1991.
* Rafik Schami , Der brennende Eisberg. Frauenfeld: Verlag im Waldgut, 1994.
* Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1963.
EINE HAND KANN ALLEIN NICHT KLATSCHEN
Über die Lage der arabischen Literatur
Für Felicitas Feilhauer
Der beste Platz auf Erden
ist ein schwebender Sattel
und der beste Gesprächspartner
unter den Lebenden
ist ein Buch.
Arabische Weisheit
M eine Entscheidung, für keine arabische Regierung und schon gar nicht für ihre Liga aufzutreten, stand bereits 1970 fest, als ich gezwungen wurde, meine Mutter, meine Familie, meine Freunde und die schönste Stadt der Welt, Damaskus, zu verlassen. Das ist 34 Jahre her, und seitdem hat sich die Welt sehr verändert, aber die Diktatur in Arabien, die mich vertrieb, ist wie die Sippe, die sie erzeugte, unverändert an der Macht.
Es fällt mir nicht schwer, auf solche offiziellen Auftritte zu verzichten – in Verbundenheit mit all den Autorinnen und Autoren, Journalistinnen und Journalisten, die bis heute noch wegen ihrer Meinung in Gefängnissen sitzen, gefoltert und gedemütigt oder vertrieben werden, und dies in allen arabischen Ländern. Mich erschüttert eher, dass nach all dem, was geschah, Autoren nach Bedarf bei jedem Regime auftreten und Preise entgegennehmen können, ohne an Scham zu ersticken.
Die Entscheidung der Buchmessenleitung war richtig und klug. Längst war es fällig, dass die arabischen Literaturen und ihre Autorinnen und Autoren zum Thema gehört werden. Das Buch und diese Messe sind aber nicht imstande und sollten es auch nicht sein, die Lage in den arabischen Ländern zu verändern. Das ist die primäre Aufgabe der arabischen Völker.
Der Gesprächspartner der Deutschen ist leider die Arabische Liga. Das ist so, als würde man in Deutschland eine Kulturgruppe Effenberg-Bohlen beauftragen, eine Diskussion über Adorno und Arendt zu leiten.
Buchzauber
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