Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick
Menschheit, ist verhältnismäßig jung. Es vergingen etwa 50000 Jahre, bis der Mensch zu dieser bedeutendsten Erfindung aller Zeiten überhaupt kam, der Schrift. In Mesopotamien hat sie die ersten unsicheren Schritte um 3500 Jahre vor Christus unternommen, und sie brauchte fast 2000 Jahre, um vollkommen zu werden.
Die Buchstaben trugen den Keim der Demokratie in sich. Mit weniger als 30 Buchstaben konnte man nun alles ausdrücken. Bei den alten Ägyptern konnte nur eine Elite das komplizierte Werk der Hieroglyphen erlernen, und ein Minimum von 1800 han ist notwendig, um Chinesisch zu schreiben.
Trotzdem, von den ca. 6000 Sprachen der Welt liegen nur etwa 100 in schriftlicher Form vor. Die Sprachen nomadisierten also lange in der Stimme, bevor sie etwa 1500 vor Christus im Mittelmeerraum in der Schrift sesshaft wurden.
Die Araber dichteten und erzählten in ihren Dialekten, die sippen- und ortsgebunden waren. Erst der Koran und in dessen Folge die Sprachgelehrten befestigten die Säulen einer einzigen Hochsprache und verwiesen die lokalen Dialekte auf den zweiten Rang. Viele vorislamische klassische Dichtungen, die wir in der Schule gelernt haben, wie die legendären Mu’alakat , können niemals so von deren Dichtern in der Hochsprache gesprochen worden sein. Sie wurden erst nach dem Siegeszug des Islam im Nachhinein »arabisiert«. Ihre Sprache ist ähnlich wie die des Korans kompliziert und für viele heutige Araber unverständlich.
Dichter und Erzähler hatten lange vor dem Islam hohes Ansehen, aber unter den unbarmherzigen Bedingungen der Wüste musste sich der Dichter an den Sippenfürsten, lokalen König oder Emir halten, um zu überleben, und diese nahmen die Dichter und Erzähler gerne unter ihre Fittiche. Sie waren, um ein heutiges Wort zu gebrauchen, seine Werbeträger. Je mehr Dichter ein Herrscher um sich scharte, umso besser konnte er seine Macht demonstrieren. Sie besangen seine Heldentaten, seine Großzügigkeit und seinen Mut und machten seinen Namen über die Grenzen seiner Sippe bekannt.
Das veränderte sich auch nicht unter den Omaijaden undAbbassiden und den späteren lokalen Herrschern des zerteilten Arabiens.
Der syrische Gelehrte Muhammad Said al Qasimi hatte 1843 ein großes Nachschlagewerk aller Berufe in Damaskus zusammengestellt. Dort steht auch die wenig schmeichelhafte, aber ziemlich präzise Definition:
Dichter ist, wer seine Literatur zum Beruf macht, er dichtet Verse des Lobes auf die Prinzen und Reichen, und sie spenden ihm dafür, was ihre Seele erlaubt.
Die Beziehung zwischen Dichter und Fürst war genau festgelegt. Es ist die eines Bediensteten zu seinem Herrn. Der Dichter hat seinen Herrn zu loben und dessen Feinde zu schmähen, deshalb sind diese zwei Abteilungen der Lyrik die umfassendsten neben der der unerfüllten Liebe. Aber sobald der Herr besiegt wurde oder nicht mehr zahlen konnte, wandten sich die Dichter ab und dem nächsten Meistbietenden zu.
Aber die Araber haben auch viele freie und Freiheit liebende Dichter gekannt, deren Spuren jedoch fast restlos verloren gingen.
Nun lebt die Mündlichkeit vom Augenblick, sie ist ätherischer Natur, verflüchtigt sich augenblicklich, und nur ein selektives Erinnern bleibt zurück. Die Stimme stirbt im Augenblick ihrer Geburt. Schrift erhält sich dagegen präzise und unerschütterlich, schwarz auf weiß.
Und kurioserweise brauchte die Mündlichkeit Strukturen, deren Parallelen in der arabischen Herrschaftsstruktur vorhanden waren. Eine Art Symbiose ließ beide gedeihen.
Die Mündlichkeit braucht immer einen großen Helden, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, der Erzähler gruppiert die Ereignisse um diese zentrale Figur. Denn die Aufmerksamkeit der Zuhörer ist bedroht. Jeden Augenblick könnten sie den Faden verlieren. Daher treffen wir in den altenGeschichten oft, und dies ohne jeden pädagogischen oder politischen Hintergedanken, auf starke Helden wie Odysseus, Sindbad oder Aladin. Es ist viel leichter, sich an einen Zyklop zu erinnern als an einen starken Mann mit normalen Augen, und ein Zerberus ist viel beeindruckender als ein gewöhnlicher Hund.
Die Schrift und später die Druckkunst haben dem Alleinanspruch dieser Helden eine vernichtende Niederlage bereitet. Wer vergaß, konnte ab jetzt zurückblättern, und so war es die Schrift, die erlaubte, dass auch kleine Helden die Romane bevölkerten. Auf diese Weise hat die Schrift die Geschichten demokratisiert. Doch zugleich bestätigte sie die Herrschaft der
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