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Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick

Titel: Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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kann man nicht üben.
    Ins Exil gehen heißt verschollen sein, bis man entweder als junger Autor tragisch stirbt oder Weltruhm erringt, und da ich das Leben liebe, beschloss ich also, weltberühmt zu werden.
    Vor allem Araber macht die Trennung von der Sippe sehr einsam. Das wissen die Autoren unter der Diktatur und trösten sich mit einer Liste der im Exil Gescheiterten, und sie kommen sich weise und klug vor. Und dann erfahren sie vom ungeheuren Erfolg der arabischen Exilautoren. Eine ganze Welt bricht für die arabischen Staatsdichter zusammen, wenn sie jetzt überall Tahar ben Jallouns, Amin Maaloufs, Edward Saids oder meinem Namen begegnen müssen.
    Nicht nur die Diktatur, sondern auch die Staatsautoren selbst sind verantwortlich für den Niedergang der Literatur in ihrem Land. Die Zensur ist schlimm, doch sie hat noch nie zum Niedergang einer Literatur geführt. Nicht in Russland und auch nicht in Lateinamerika. Erst wenn der Druck von außen den inneren Zensor hochgezüchtet hat, hat die Literatur keine Chance mehr, irgendetwas im In- oder Ausland zu gelten.
    Und da er sich ausschließlich vom Selbstbewusstsein ernährt, wächst der Selbstzensor arabischer Züchtung parallel zum Ruhm, statt zu verschwinden. Nagib Mahfus zeigte immer eine Art Schizophrenie in der Offenheit seiner Romane einerseits und den anbiedernden Essays und Interviews in den Zeitungen andererseits, die kein Wort der Kritik enthielten. Als er 1988 den Nobelpreis erhielt und damit auf dem Zenit seiner öffentlichen Macht war, lehnte er es, ab, dass eine Zeitung zu seiner Ehrung seinen verbotenen Roman Kinder unserer Gasse in Fortsetzung veröffentlichte. Jusuf Idris, einer der originellsten ägyptischen Autoren, griff, als er unbekannt war, mit seinem Buch Geist der Armut und Armut des Geistes den einflussreichen Scheich al Scha’rawi von der Azharmoschee an. Als er später berühmt wurde, entschuldigte er sich beimScheich für das Missverständnis. Es sei ein Druckfehler gewesen, sagte er. Der Druckfehler betrug ganze fünf Seiten.
    Kein einziger arabischer Staatsautor hat es bis heute fertig gebracht, eine selbstkritische Würdigung der Emigranten auszusprechen. Nicht ein Einziger hat sich öffentlich bei den Opfern der Regime entschuldigt, denen er gedient hat. Das macht für mich die Komplizenschaft der Autoren mit der Diktatur so unverzeihlich.
    Und während syrische Journalisten und Schriftsteller im Kerker mit mittelalterlichen Foltermethoden, allerdings mit Stromanschluss, gequält wurden, saß der Schriftsteller Hanna Minah täglich in seinem Büro im Kultusministerium und protzte mit seiner Freundschaft zur Kultusministerin Attar. Er sprach mit seinen Besuchern nicht über die Freiheit, sondern über die Stifte, mit denen er seine Romane schrieb.
    Der arabische Schriftsteller ist ein Diener des Sultans und des Diktators. Das ist eine Kategorie der Haltung und nicht der Qualität. Unter diesen Hofdichtern waren Genies wie al Mutanabi, Abu Nuwas und Ibn Hazm ebenso wie ein Heer von langweiligen Nachahmern.
    Ich kenne keinen der heute »groß und bedeutend« genannten arabischen Staatsdichter, der in einem arabischen Land lebt und nicht vor dem Diktator gebuckelt hat. All diese Autoren wussten und wissen von den Foltern in den Gefängnissen ihres Brotgebers. Sie protestierten nicht, sondern hielten zu den Herrschern. Mir schienen sie immer als Wunderwesen mit einem Gewissen aus Panzerglas. Eine der witzigsten Zungen Arabiens, der Ägypter Mahmud al Sa’dani, ein Satiriker und Journalist ersten Ranges, diente allen ägyptischen Regimen von Nasser bis Mubarak, und als er mit Sadat in Streit geriet, diente er bei Saddam Hussein, Gaddafi, den Katar-, Bahrain- und Kuwaitherrschern. Sein Liebling blieb,wie er in seinen Memoiren schreibt, Saddam Hussein. Nizar Kabbani, ein Genie der Sprache und des erotischen Gedichts, diente, obwohl mehrfacher Millionär, nachdem er jahrzehntelang Botschafter Syriens in Madrid war, bis zum Ende seines Leben Saddam Hussein. Er ist derselbe Dichter, der folgende Verse formulierte:
     
    Erhebe deine Stimme nicht
    und du bist in Sicherheit.
    Diskutiere nie mit einer Pistole
    oder einem Diktator
    und du bleibst in Sicherheit.
    Sei farblos,
    schmecke nach nichts
    und hab keine Meinung
    oder große Sache
    und du bist in Sicherheit.
    Schreib über das Wetter
    und – wenn du willst –
    über die Antibabypille
    und du bist in Sicherheit.
    Das ist das Gesetz des Hühnerstalls
     
    Kapriolen der Zensur
     
    Die

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