Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick
Verleger mit mir sprechen. Nach ein paar Höflichkeitsfloskeln folgt dann unvermeidlich der erste ernsthafte Satz: »Sie wissen, wir müssen einiges streichen, sonst haben wir keine Chance.«
Ein opportunistischer syrischer Autor flüsterte mir vor Jahren auf der Buchmesse zu, er könne schreiben, was er wolle, weil er das verbotene Dreieck meide: Religion, Sex und Politik bilden die Ecken der verbotenen Zone.
Der Größenwahn und das Nichts
Der arabische Diktator fängt irgendwann an, sich als omnipotente Ausnahmeerscheinung unter den Arabern zu fühlen. Saddam Hussein hatte es bis zur Spitze getrieben, als er, der aus dem bitteren Elend einer sunnitischen zerrütteten Familie stammte, sich über seine propagandistische Hydra als Nachfahre Alis verkaufte.
Der Diktator und seine unmittelbare Umgebung fühlen sich inmitten eines knienden Volkes ohnehin groß. Sie toben ihre spießigsten Gelüste in der Einrichtung ihrer Häuser wie auch im Anhäufen von Luxusgütern (z.B. pro Person bis zu 200 teuerste Limousinen, die sie nie fahren) aus. Sie halten sich für omnipotent und allwissend. Sie diskutieren mit kopfnickenden Atomphysikern, korrigieren lokale und ausländische Philosophen, und zuletzt schreiben sie auch noch Gedichte und Romane.
Diese Diktatoren kamen aus dem Nichts und trugen das Nichts in sich, und wohin sie kamen und was sie anlangten: Es blieb nur das Nichts zurück.
Diktatoren als Heuchler
Spätestens seit der iranischen Revolution spielen die arabischen Diktatoren den heuchlerischen Frömmler. Nicht nur Saddam Hussein pflegte nun öffentlich vor laufender Kamera zu beten, sondern auch alle anderen Herrscher. Das ist zunächst einmal lächerlich, aber die Frömmlerei bekam ein gefährliches Element. Plötzlich wurden die Moscheen und ihre Scheichs zusätzliche Zensurzentralen und fällten täglich Urteile über Literatur, Nahrung, Medizin, Ehe und Sexualität. Der mutige, liberale Faraj Fuda wurde zuerst durch die Scheichs in Kairo zum Tode verurteilt, bevor zwei Mörder ihn erschossen. Die ägyptische Regierung reagierte prompt: Sie verbot seine Bücher.
Probleme der Rezeption arabischer Literaturen
Es nimmt einen nicht wunder, dass arabische Autoren davon träumen, in eine europäische Sprache übersetzt zu werden. Manche zahlen sogar Geld dafür, um überhaupt, und sei es in einem winzigen Verlag, zu erscheinen. Die Ursache für diese Sehnsucht ist vielschichtiger Natur. Mögen Eitelkeit, Europahörigkeit und Sucht nach Weltgeltung mit eine Rolle spielen, aber der Wunsch, ernst genommen und gelesen zu werden, bildet bei den meisten die Hauptursache. Sie wissen wohl, dass ihre Bücher in der erstickenden Atmosphäre zu Hause, wo über 60 Prozent Analphabeten sind und auch die Lesemächtigen selten lesen, keine Chance haben.
Die Aussicht eines arabischen Autors, in eine europäische Sprache übersetzt zu werden, war immer gering und wird in der Zukunft immer geringer.
Die national bedingten Probleme arabischer Bücher sind:
1. Die Autoren befinden sich immer noch in starker Abhängigkeit von Herrscher und Tradition. Bis heute gibt es zum Beispiel keinen einzigen Roman über den Diktator arabischer Prägung, wie wir das aus der lateinamerikanischen Literatur kennen, von Miguel Angel Asturias’ Der Herr Präsident bis Márquez’ Der Herbst des Patriarchen. Erst im letzten Jahr erschien ein Roman über Saddam Hussein, allerdings unter Pseudonym. – Und wo? Im Kölner Exilverlag al Kamel.
2. Das, was die Autoren sowie selbsternannte Experten Postmoderne und Erneuerung nennen, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als schlechte Nachahmung erst französischer, dann russischer, amerikanischer und zuletzt lateinamerikanischer Literatur. Darin sehe ich eine der größten Schwierigkeiten.
Meiner Meinung nach ist es, um wahrgenommen zu werden,unerlässlich, dass man selbst Konturen, ein Gesicht hat. Ich sah und sehe heute nur eine einzige Möglichkeit. Die arabischen Autoren müssen sich auf das zurückbesinnen, was es bei uns an Erzählerfahrung gibt, was uns nahe steht, in uns bereits existiert, verwurzelt ist. Dann erst ist es möglich, von arabischen Literaturen zu sprechen.
Zu diesen Problemen kommen andere auf internationaler Ebene hinzu.
Die Aufnahme arabischer Autoren in eine europäische Sprache wird immer schwerer, je mehr der Markt von großen Verlagen, Buchhandlungen und Vertrieben beherrscht wird. Während fünftklassige Autoren aus den USA ihren Weg in die
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