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Damenschneider

Damenschneider

Titel: Damenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Schöttle
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beginnt«, fuhr sie mit ihrer überraschend hohen und wohlklingenden Stimme fort, die in bemerkenswertem Kontrast zu ihrem Äußeren stand.
    Nach einem zustimmenden Kopfnicken und einem kurzen Blick auf seine Armbanduhr mahnte Walz zur Eile, das Konzert sollte schließlich in wenigen Minuten beginnen.
     
    Dank der Gratiskarten, über die Florian Rost als Solist des Konzerts verfügte und die er ihnen hatte zukommen lassen, saßen sie in dem nicht allzu gut besuchten Schubert-Saal auf ausgezeichneten Plätzen.
    Auf Walz wirkte diese Aneinanderreihung von Kantaten, die seiner Meinung nach besser in einen kirchlichen Rahmen gepasst hätten, ausgesprochen ermüdend, was auch an der spärlichen Besetzung des an Originalinstrumenten hantierenden Orchesters und des nach seiner Ansicht viel zu klein bemessenen Chors liegen konnte.
    Doch dies störte ihn nur wenig.
    Er war von ganz anderen Sinneseindrücken beseelt.
    Da die Sitze im Schubert-Saal recht schmal bemessen sind, ließ es sich nicht vermeiden, dass immer wieder einzelne Strähnen von Claras dichtem Haar in die Nähe seiner empfindlichen und empfänglichen Nase gerieten. So nahmen die Gedanken unseres braven Inspektors schon bald eine Richtung an, die in rechtem Gegensatz zu den frommen Weisen des Thomaskantors standen.
    Während unser olfaktorisch empfindsamer Walz also in abseitigen Träumereien schwelgte, begeisterten sich seine Begleiterinnen an der Stimmfertigkeit ihres Freundes. Bei besonders geglückten Phrasen schauten sich die Frauen verständnisinnig an und nickten wissend mit dem Kopf. Unserem armen Walz blieb in einem solchen Fall nichts anderes übrig, als ebenfalls anerkennend sein Haupt zu wiegen.
    Dabei wirkte Rost mit seinem langen Haar und seinen femininen Gesichtszügen auf ihn ausgesprochen weibisch. Auch sein Gebaren auf der Bühne glich viel mehr dem einer Operndiva als dem eines Sängers. Wenn er mit großer Geste die geistlichen Arien Bachs zum Besten gab, als wären sie eine Liebeserklärung an irgendeine ferne Geliebte, war Walz dies doch einigermaßen zuwider.
    So konnte er sich nicht verkneifen, Elisabeth während einer Pause geradeheraus nach der sexuellen Orientierung ihres Freundes zu fragen.
    »Soweit ich weiß, ist er da recht flexibel«, antwortete sie gleichmütig.
    Der sachliche Tonfall, mit dem sie ihre Antwort hervorbrachte, mutete ihn ausgesprochen befremdlich an, zumal sie bei ihren Gesprächen seltsamerweise niemals das Gebiet der Sexualität gestreift hatten.
    »Oder, was meinst du dazu?«, fragte Elisabeth nun Clara, was Walz außerordentlich unangenehm war.
    »Mein Florian – homosexuell?«, ratlos zuckte sie mit den Schultern. »Keine Ahnung … Darüber habe ich mir wirklich keine Gedanken gemacht. Er ist ja fast so etwas wie ein Sohn für mich.«
     
    Walz war aufrichtig froh, dass die Künstler den eher spärlichen Beifall richtig deuteten und auf jegliche Zugabe verzichteten, die übertriebenen Manierismen der Originalklangjünger hatten offensichtlich nicht nur Walz ermüdet. So blieben die Bemühungen seiner Begleiterinnen unbelohnt, die selbst dann noch frenetisch klatschten, als ein Großteil der Zuschauer schon den Garderoben zustrebte. Besonders Elisabeth entwickelte in ihrer Begeisterung ein Temperament, das Walz ihr niemals zugetraut hätte. Als sie ihn fragte, ob er nicht mit ihr zum Künstlerzimmer gehen wolle, um den Musikern zu gratulieren, zeigte er sich auf die Frage vorbereitet und meinte, es sei wohl besser, ins Restaurant vorauszueilen, um ihren reservierten Tisch im »Weinzirl« nicht zu verlieren.
    Tatsächlich wäre es ihm in diesem Moment kaum erträglich gewesen, Gratulationen an eine Person zu richten, die ihm so unsympathisch erschien. Obwohl er zugeben musste, dass er von der Stimme Rosts durchaus angetan war. Allerdings nur so lange, wie er seine Augen geschlossen hielt und sich dabei eine Sängerin vorstellte. Das exaltierte Gebaren sowie der seltsame Widerspruch zwischen seiner hoch gewachsenen männlichen Gestalt und seiner falsettierten Stimme war für Walz nur schwer erträglich.
    Zu seiner Überraschung schloss sich ihm Clara mit der Begründung an, dass sie Rost ja auch im Restaurant gratulieren könne, zudem sei sie ausgesprochen durstig.
     
    Nachdem sie an ihrem Tisch Platz genommen hatten, versuchte Walz sofort, dem Gespräch eine Richtung zu geben, die gar nichts mit dem Konzert zu tun hatte.
    »Woher stammen Sie eigentlich, Clara?«
    »Meine Eltern stammen aus Chile und sind

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